Zur Lehre vom Gemüt.
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Bewußtseinsbestimmtheit aufzuweisen hat,1) und daß auch
nicht das geringste Gegenständliche dieses Augen¬
blickes davon ausgeschlossen sei. Wenn die Gegner ihre
Behauptung, daß mit einem besonderen bestimmten Gegen¬
ständlichen (Wahrnehmung -Vorstellung) ein besonderes Ge¬
fühl verbunden, also dieses sein ihm eigener „Gefühlston“
sei, dahin einschränken, daß dieses „Gebundensein“ eines
besonderen Gefühls an ein besonderes Gegenständliches „nor¬
male Umstände“ zu seiner Voraussetzung fordere, so geben
sie damit tatsächlich zu, was sie sonst leugnen, daß nämlich
noch andere Bedingungen aus dem Gegenständlichen des be¬
treffenden Seelenaugenblickes für das betreffende Gefühl vor¬
handen sind: denn was könnten die geforderten „normalen
Umstände“ anderes bedeuten, als eben anderes bedingen¬
des Gegenständliches neben jenem, dem allein man das
fragliche Gefühl als seinen ihm eigenen „Gefühlston“ anzu¬
hängen beflissen ist.
Wenn wir finden, daß eine Gruppe heutiger Psychologen,
obwohl sie an den Tatsachen des Seelenlebens selber keinen
Anhalt für die Annahme von Gefühlen als angeblich „an be¬
sondere Vorstellungen allein gebundenen Gefühlstönen“ findet,
sich dieser Annahme, welche ja auch dem gemeinen Bewußt¬
sein sehr geläufig ist, so gerne zugeneigt haben, so ist der
Grund wohl darin zu suchen, daß sie nicht von einem Einzel¬
wesen „Bewußtsein“, als dessen Bestimmtheitsbesonder¬
heit die Empfindung, Wahrnehmung usf., gegeben ist, son¬
dern schlechtweg von der nackten Empfindung usf. in ihrer
Betrachtung ausgingen. Fanden sie dann, daß, wie der Augen¬
schein allerdings klar lehrt, Empfindung und Gefühl immer
zusammen gegeben seien, so lag ersichtlich die Versuchung
nahe, dieses Zusammen in der Art aufzufassen, daß man
jeder besonderen Empfindung auch ein besonderes Gefühl an¬
gegliedert sein ließ, das demgemäß als ihr besonderer „Ge¬
fühlston“ galt. Freilich wäre nun der weitere folgerichtige
Schritt gewesen, jene zwei, von ihnen selbst doch aufgestellten
und schon von uns erwähnten Einschränkungen (s. S. 17 f.)
b Siehe Rehmke, Lehrbuch der allgem. Psychologie, 2. Aufl.,
B. 332 ff.