Zur Lehre vom Gemüt.
7
Was der Sinn der Worte „Lust“ und „Unlust“ sei, ist
einem Jeden ebenso klar, als was der Sinn der Wrorte
„gerade“ und „krumm“, „rund“ und „eckig“, „rot“ und
„grün“ sei; also das Gegebene, Lust und Unlust genannt, ist
Allen bekannt, so daß es keiner näheren Weisung bedarf, um
dieses als Gegenstand einer Untersuchung genügend heraus¬
zustellen.
Wenn wir nun von „Gefühl“ reden und damit in allen
Fällen eine Lust oder eine Unlust meinen, wenn wir, mit
anderen Worten, Lust und Unlust Gefühle nennen, so möchte
es scheinen, als ob „Gefühl“ den Gattungsbegriif für Lust und
Unlust bezeichne, also „Gefühl“ das gemeinsame Allgemeine1)
der Lust und der Unlust bedeute. Indes dieser Schein trügt!
Lust und Unlust stehen als Gegebenes in einem so völligen
Gegensätze zueinander, daß es schlechterdings unmöglich ist,
ein ihnen gemeinsames Allgemeines herauszufinden, das beiden
eigen wäre, so daß sie sich in dem Allgemeinen gleich und
nur in ihrer Besonderheit verschieden erwiesen.
Aber, wenn das W7ort „Gefühl“ nicht einen „Gattungs¬
begriff“, also nicht ein gemeinsames Allgemeines von Lust
und Unlust bedeuten kann, wie es denn zu verstehen, daß man
doch von Lust und Unlust gleicherweise als Gefühlen redet
und mit Grund so redet? Dann ist doch immerhin mit
dem Wort „Gefühl“ ein Begriff bezeichnet, der eben als
Bestimmung von Lust und Unlust in den Urteilen „Lust ist
ein Gefühl“ und „Unlust ist ein Gefühl“ sich findet. Wir
fragen daher, was die Bestimmung „Gefühlsein“ sage, wenn
sie nicht „Gefühl“ als gemeinsames Allgemeines von Lust
und Unlust behaupten kann, jene Urteile also nicht auf
gleicher Linie stehen mit „der Baum ist ein Ding (Körper)“
und „der Teller ist ein Ding“! Die Antwort liegt auf der
Hand.
„Ding“ ist zweifellos ein Gattungsbegriff, „Ge¬
fühl“ aber ebenso zweifellos ein Beziehungsbegriff. In
dem Satze „Lust ist ein Gefühl“ sagen wir von dem Ge¬
gebenen „Lust“ als seine Bestimmung eine Beziehung zu einem
*) Siehe Eehmke, Philosophie als Grundwissenschaft, S. 79,