Full text: Zur Lehre vom Gemüt

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Zur Lehre vom Gemüt. 
änderliches und Unveränderliches.1) Was man „Gefühl“ 
nennt, fällt nun oifenbar nicht unter den Begriff des Einzel¬ 
wesens d. h. also des Veränderlichen. Zwar finden sich die 
landläufigen Redensarten, ein Gefühl habe sich verändert, oder 
es sei in sein Gegenteil umgeschlagen, eine Lust oder eine 
Unlust sei schwächer oder stärker geworden, der Zorn oder 
die Furcht sei gewachsen oder habe sich verringert — 
Redensarten, in denen, wenn wir sie beim Wort nehmen, das 
Gefühl für ein Einzelwesen ausgegeben wird. Indessen kann 
doch Jeder ohne Schwierigkeit bei näherem Zusehen finden, 
daß in all solchen Fällen tatsächlich nicht ein Gefühl selbst, 
sondern vielmehr ein „fühlendes Einzelwesen“ sich verändert 
hat, das eben in dem einen Augenblick das eine besondere 
Gefühl, in dem anderen Augenblick ein anders bestimmtes 
Gefühl als zu ihm Gehöriges hatte, mag nun im einzelnen 
Fall das Anderssein des zweiten Gefühls nur in einem anderen 
Grade (stärker oder schwächer als das frühere Gefühl) oder 
in einer anderen Art (Unlust statt Lust und umgekehrt) be¬ 
stehen. 
Es ist von Wichtigkeit für den klar zu bestimmenden 
Begriff des Gefühls, daß gleich anfangs festgestellt wird, 
Gefühl sei nicht selber Einzelwesen; ist diese Erkenntnis 
gewonnen, so steht damit zugleich fest, daß Gefühl, da es also 
nicht Veränderliches ist, Unveränderliches und darum Allge¬ 
meines sein muß. 
Bevor wir aber in der Untersuchung weitergehen, die 
dieses Allgemeine, das „Gefühl“, näher zu bestimmen hat, 
müssen wir uns noch weiter über den Sinn des Wortes „Ge¬ 
fühl“ verständigen, also das Gegebene, um das es sich dabei 
für uns handelt, soweit wenigstens kennzeichnen und festlegen, 
wie es übereinstimmend von Allen zunächst begriffen wird. 
Was immer unter „Gefühl“ verschiedentlich verstanden 
sein mag, darin treffen Alle zusammen, daß mit dem Worte 
„Gefühl“ auch jenes Gegebene getroffen werde, das wir Lust 
und Unlust nennen: sprechen wir von einem Gefühl, so 
meinen wir stets eine Lust oder eine Unlust. 
*) Siehe Eehmke, Philosophie als Grundwissenschaft, S. 85f., 203f., 
407 f.
	        
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