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Zur Lehre vom Gemüt.
bildung redet, die er der Geistes- und der Charakterbildung
wohl als eine dritte besondere Erziehungsaufgabe an die Seite
stellt; an sie denkt der Psychologe, der von den verschiedenen
Arten des Gemüts redet und die Besonderheit des einzelnen
Bewußtseins, abgesehen von dem „Geiste“ und dem „Charakter“,
auch noch im „Gemüte“ begründet sieht. Dies „Gemüt“ pflegt
man dann gleichsam zwischen Geist und Charakter zu stellen
und das mit vollem Recht.
In den Begriffen Geist, Gemüt und Charakter bestimmen
wir nämlich das Bewußtseinsindividuum unter drei besonderen
Gesichtspunkten nach dem, was es selber an besonderen Be¬
dingungen für den Verlauf seines Lebens in sich trägt. Es wäre
freilich verkehrt, anzunehmen, daß diesen drei Begriffen drei
verschiedene Kammern des Bewußtseins entsprächen, die zwar
miteinander in Verbindung wären, aber doch eine jede für
sich und auf sich selbst ständen. Wenn wir daher kurzweg
sagen, daß wir das Bewußtsein oder die Seele des Menschen
Geist nennen, insofern es „denken“, Gemüt, insofern es „fühlen“,
und Charakter, insofern es „wollen“ kann, so haben wir das
Bewußtsein zwar im ersten Fall allein unter dem Gesichts¬
punkte des gegenständlichen Bewußtseins bestimmt, im zweiten
Falle jedoch nicht allein unter dem des zuständlichen, sondern
unter dem des gegenständlichen und zuständlichen, im
dritten Falle aber, weil unter dem Gesichtspunkte des ur¬
sächlichen, damit auch schon zugleich unter dem des gegen¬
ständlichen und zuständlichen Bewußtseins. Der „Geist“
also ist es, der das „Gemüt“, und das „Gemüt“ ist es wiederum,
das den Charakter mitbestimmt.
Was nun im besonderen das Gemüt, sofern dies Wort
die im Menschen gelegenen Bedingungen für die in „Gefühl“ und
Stimmung sich besondernden „Gemütszustände“ des Bewußt¬
seins bedeutet, anbetrifft, so liegt nach unserer Zergliederung
von „Gefühl“ und Stimmung auf der Hand, daß das Bewußt¬
sein des Menschen hier nicht nur als zuständliches, sondern
auch ganz besonders als gegenständliches für jeden einzelnen
Gemütszustand in Frage kommt. Denn nicht nur, daß das
Bewußtsein sich als allgemeine Bedingung (s. S. 37) geltend
macht, es kommt auch die besondere Entwicklung, die das