106
Zur Lehre vom Gemüt.
trete. Unser Sprachgebrauch pflichtet dieser Möglichkeit in
einigen Fällen ausgesprochenermaßen bei, denn er redet von
einem Affekt der Trauer und einem „Gefühl“ der Trauer, von
einem Mutaffekt und einem Mutgefühl, von einem Affekt des
Kummers und einem „Gefühl“ des Kummers, von einem Affekt
der Bangigkeit und einem bangen „Gefühl“; und wo unsere
Sprache auch nicht dieselben Namen für beides gebraucht, da
können wir doch in manchen Fällen die Verwandtschaft von
bestimmten Affekten und bestimmten anderen „Gefühlen“ leicht
feststellen: wir erinnern nur an den Affekt des Zorns und an
das „Gefühl“ des Unmuts, an den Affekt des Entzückens und
das „Gefühl“ der Freude. Biese „Verwandtschaft“ von be¬
stimmten Affekten und bestimmten anderen „Gefühlen“ ist
auch eine viel innigere, als die zwischen bestimmten „Gefühlen“
und bestimmten „Stimmungen“, da dort beides ein „Gefühl“
ist, mithin das „maßgebende“ Gegenständliche und das „be¬
gleitende“ Gegenständliche als das bestimmte Gegebene über¬
haupt wenigtens der Art, wenn auch nicht der Intensität nach
bei beiden dasselbe sind, während bei „Gefühl“ und Stimmung
das Gegenständliche, das in der letzten das „maßgebende“
Gegenständliche bedeutet, im ersten das „begleitende“ ist.
Da das, was wir Affekt nennen, sich, eben weil sein
maßgebendes Gegenständliches niemals Körperempfindung
ist, demnach von der Stimmung, deren „maßgebendes“
Gegenständliches immer Körperempfindung ist, klar unter¬
scheidet, so können wir auch Lehmann darin nicht Recht
geben, daß Affekt und Stimmung „nicht wesentlich verschieden“
seien. Denn die Verschiedenheit der Stellung, welche die
Körperempfindung in ihnen — ist doch Affekt ein „Gefühl“ —
aufweist, zeigt sie zweifellos als „wesentlich“ verschiedene
Bestimmtheitsbesonderheiten des Bewußtseins, wenn auch, da
ja Affekt immer ein „Gefühl“ ist, jene Verwandtschaft, die
wir schon früher bei der Gegenüberstellung von „Gefühl“ über¬
haupt und Stimmung erörtert haben, auch zwischen Affekt und
Stimmung besteht und auch sie beide mit ein und demselben Bei¬
wort bezeichnet sein läßt, z, B. Zornaffekt und zornige Stimmung.
Aber erst wenn jene wesentliche Verschiedenheit zu gründe
gelegt wird, können wir Lehmanns Meinung im Großen und