Zur Lehre vom Gemüt.
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geführt wird, nämlich der „Schreck“, an dem man das
„chockartige“ besonders hervorzuheben pflegt. Indessen ist,
wie schon früher bemerkt, das „Überraschende und Plötzliche“
doch nur einigen Affekten eigen, während es bei vielen anderen
durchaus fehlt.
Wenn ferner von der Herbartischen Schule die „Störung
des ruhigen Vorstellungslaufes“, sei es durch „Überfüllung“,
sei es durch „Entleerung“ des „vorstellenden“ Bewußtseins,
der Grund oder das eigentliche Wesen des Affektes genannt
wird, so sehen wir darin eine Verwechslung von Ursache und
Wirkung. Die Tatsache steht fest, daß bei gewissen Affekten die
Vorstellungen „herandrängen“ und in rascher Folge auftreten,
und daß bei anderen das Umgekehrte der Fall ist; jenes findet
bei den Lustaffekten, dieses bei den ünlustaffekten statt; das
Wort von der überströmenden Freude ist uns Allen bekannt
und ebenfalls das Wort von dem Festgebanntsein des Bewußt¬
seins in der Wut und dem Schreck. Das Eine aber ebenso,
wie das Andere, ist nicht die Ursache, sondern vielmehr die
Wirkung des Affekts und hängt unmittelbar ab von den
starken verschiedenartigen Körperempfindungen. Ganz
dasselbe gilt von der anderen Behauptung, daß der Affekt
die „Überlegung“ hindert oder unter Umständen ganz unmög¬
lich macht, denn dies hängt ja mit Jenem eng zusammen und
ist demnach auch von Demselben, den starken Körperempfin¬
dungen, im Affekte unmittelbar bedingt.
In klarer überzeugender Weise hat diese Abhängigkeit
des VorstellungsVerlaufes von dem, wras wir das „begleitende“
Gegenständliche im Affekte (die Körperempfindung) nennen,
Lehmann auf Grund vielfacher Experimente in seinem hier
öfters angeführten Buche dargelegt und damit* die Herbarti¬
sche Theorie von der Zurückführung der Affekte auf die
Störung des Vorstellungs Verlaufes als eine völlige Verkehrung
der eigentlichen Tatsachen nachgewiesen.
Da nun die heute gemeiniglich „Affekt“ genannte Bestimmt¬
heitsbesonderheit des Bewußtseins zweifellos zu der Gruppe, die
wir als „Gefühl“ bezeichnet haben, gehört, so sind die „begleiten¬
den“ Körperempfindungen, die auch wohl von Anderen Organ¬
empfindungen genannt werden, selbstverständlich ein Stück des