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Zur Lehre vom Gemüt.
des Wortes „Gemüt“ sich der klaren Faßlichkeit entziehe,
gründen zu dürfen, weil angeblich das „Fühlbare“ selber
„Unsagbares“ sei, und sich nicht, wie das „Anschaubare“, in
Worten „wiedergeben“ lasse.
Was man aber die „Wiedergabe in Worten“ nennt, ist
doch nicht Wiedergabe im eigentlichen Sinn, sondern will
immer nur sagen, daß durch Worte, als die veranlassende
Bedingung, dem Hörenden die Möglichkeit geboten wird, Be¬
stimmtes vorzustellen, als dessen Ausdruck dann eben jene
Worte sich erweisen. Darum können wir auch nicht der Be¬
hauptung beistimmen, das Fühlbare stehe vor dem Anschau¬
baren in dem Sinne zurück, daß es weniger sagbar d. i. in
Worten zum Ausdruck zu bringen sei, als das Anschaubare,
geschweige denn, daß es überhaupt „Unsagbares“ sei. Denn
wir halten dafür, daß alles, dessen wir uns bewußt sind,
als dieses Bewußte auch Worte finde, in denen es zum Aus¬
druck kommt d. h. die uns die veranlassende Bedingung
sind, jenes Gegebene in der Vorstellung wiederzuhaben: zu
dem „Bewußten“ aber gehört zweifelsohne das „Fühlbare“
nicht minder als das „Anschaubare“ oder, genauer gesprochen,
das Gegebene, das unser „Gefühl“ ist, nicht minder als das¬
jenige, das unsere „Anschauung“ ist. So muß es für alles
Fühlbare auch Worte geben, die uns diesen Ausdrucks- und
Mitteilungsdienst in betreff der Gefühle leisten, und es wäre
durchaus verfehlt, unüberwindliche Schwierigkeiten in dem
Versuch zu finden, das Gefühlsleben zu voller Darstellung in
Worten zu bringen.
Wir werden uns demnach nicht von dem Versuch, das
Gegebene, das wir „Gemüt“ nennen, in klare Worte zu fassen,
durch die oft gehörte Sage, „Gefühl“ oder „Fühlbares“ sei
nicht in Worten zum Ausdruck zu bringen, sei „Unsagbares“,
abschrecken lassen, wenn wir gleich zugeben, daß in einer be¬
stimmten Hinsicht, die auch wohl den eigentlichen Untergrund
für jene Sage bildet, das „Fühlbare“ tatsächlich hinter dem
„Anschaubaren“ zurücksteht, sofern es als Gegebenes in
Worten zum Ausdruck kommt. Worte werden ja nicht nur
gesprochen, sondern auch gehört, wir drücken Gegebenes in
ihnen aus und wollen dieses Gegebene dadurch Anderen