Full text: Zur Lehre vom Gemüt

Zur Lehre vom Gemüt. 
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entweder reduziert oder sogar momentan aufgehoben wird“, 
so müßte diese Wirkung doch auf eine Eigentümlichkeit des 
Affektes zurückgeführt werden, also diese vor Allem selbst 
aufgezeigt werden. Ist aber die „Störung der Gleichgewichts¬ 
lage“, auf welche jene Wirkung von den Herbartianern zurück¬ 
geführt werden soll, nicht eine an der Bestimmtheitsbesonder¬ 
heit „Affekt“ selbst bestehende Eigentümlichkeit, so kann 
sie auch nicht für die Klarstellung, was der Affekt sei, in 
erster Linie benutzt werden; „Störung des normalen Vor¬ 
stellungsverlaufs“ sagt uns über den Affekt als Bestimmtheits¬ 
besonderheit des Bewußtseins selber in der Tat garnichts. 
Bei dieser Frage und deren befriedigenden Beantwortung steht 
den Herbartianern ihre Auffassung vom „Gefühl“ als einem in 
Vorstellungsverhältnissen bestehenden Gemütszustände hindernd 
im Wege. Darin freilich geben wir ihnen Hecht, daß der so¬ 
genannte Affekt keineswegs durch „intensives“ Gefühl d. i. 
durch ein Zuständliches des Bewußtseins in seiner Eigenart 
schon gekennzeichnet ist, und auch darin pflichten wir ihnen 
bei, daß dieses Kennzeichen, wenn anders ein solches besteht, 
in dem Gegenständlichen des Affekts gesucht werden müsse. 
Dabei ist aber gar nicht ausgeschlossen, daß wir, wenn es 
uns gelingt, das Eigentümliche des „Affektes“ als in seinem 
Gegenständlichen gelegen festzustellen, gerade auch „inten¬ 
sives“ Gefühl als sein besonderes Zuständliches anerkennen 
müssen. Wir würden dann Kant nur darin Unrecht geben, 
daß er den Affekt durch das Zuständliche als „intensives GefühD 
allein schon genügend meint gekennzeichnet zu haben, wäh¬ 
rend er tatsächlich damit nur ein „Symptom“, wie Volkmann 
sagt, genannt hat und der Sache selbst nicht auf den 
Grund gekommen ist. 
Betrachten wir Einiges von dem, was nach dem heutigen 
Sprachgebrauch als Affekt bezeichnet wird und damit als 
eine ganz besondere Bestimmtheitsbesonderheit herausgestellt 
sein soll, wie z. B. das Entzücken, die Entrüstung, den Zorn, 
den Ärger, die Wut, so finden wir in jedem Falle eine 
solche Bestimmtheitsbesonderheit, die sich als ein Zusammen 
von Zuständlichem und Gegenständlichem erweist. Das 
Zuständliche daran ist ferner in jedem Falle ein „intensives“, 
Eehmke, Gemüt. ^
	        
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