Full text: Zur Lehre vom Gemüt

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Zur Lehre vom Gemüt. 
Neben „Gefühl“ und Stimmung pflegen manche Psy¬ 
chologen nun noch eine dritte, jenen beiden verwandte Be¬ 
stimmtheitsbesonderheit der Seele unter dem Namen „Affekt“ 
aufzustellen, die mit jenen dann wohl den gemeinsamen Namen 
„Gemütszustand“ erhält. 
Das Wort „Affekt“ (affectus, nä&og) hat schon eine Ge¬ 
schichte.1) Spinoza gebraucht das Wort „Affekt“ ganz im 
Sinne unseres „Gefühls“; freilich kennzeichnet er es in dessen 
mannigfaltiger Besonderung nur nach dem Zuständlichen und 
nach dem „maßgebenden“ Gegenständlichen.2) Kant aber 
nennt Affekt „das Gefühl einer Lust oder Unlust im gegen¬ 
wärtigen Zustande, welches im Subjekt die Überlegung (die 
Yernunftvorstellung, ob man sich ihm überlassen oder weigern 
solle) nicht aufkommen läßt“; Affekt und Leidenschaft sind 
ihm Krankheiten des Gemütes, weil sie die Herrschaft der 
Vernunft ausschließen, „beide sind auch gleich heftig dem 
Grade nach“; und näher ist ihm der Affekt eine „Über¬ 
raschung durch Empfindung, wodurch die Fassung des 
Gemüts fanimus sui compos) aufgehoben wird; er ist also 
übereilt d. i. er wächst geschwinde zu einem Grade des Ge¬ 
fühls, der die Überlegung unmöglich macht (ist unbesonnen)“.3) 
„Affekt“ nennt Kant also ein „Gefühl“, das er in dreierlei Hin¬ 
sicht besonders bestimmt: X. nach dem maßgebenden 
Gegenständlichen, das ein „plötzlich eintretendes, uner¬ 
wartetes, überraschendes“ sei, 2. nach dem Zuständlichen, 
das von hohem Grade sei und 3. nach der Wirkung des 
„Gefühls“ auf das „vernünftige, überlegende Denken“, 
die für dieses eine völlig hemmende sei. Das erstgenannte 
Kennzeichen des Affekts, die „Überraschung“, trifft nicht zu, 
wenn wir auch nur die von Kant selbst als besondere Affekte 
herangezogenen Bestimmtheitsbesonderheiten in Betracht ziehen: 
„Zorn“ und „Traurigkeit“, „Scham“ und „Gram“ sind uns Allen 
9 Siehe Jungmann, „Das Gemüt und das Gefühlsvermögen der 
neueren Psychologie“ 2. Aufl. 1885, S. 115—123. 
2) Spinoza, Ethik, III, 59. 
3) Kant, Anthropologie § 71 f.
	        
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