nachlässe wie von Walter Barbian und Fritz Hartung durch das Landesarchiv mar¬
kiert einen großen Erfolg, da deren Werk nun auch von künftigen Generationen ge¬
nutzt werden kann.
Man sagt gerne, Bilder schreiben Geschichte, und das Bild vom Kniefall Willy
Brandts in Warschau ist dafür ein Paradebeispiel. Es steht aber auch beispielhaft
für den begrenzten Quellenwert des Bildes, weil wichtige Kontextinformationen
fehlen. Willy Brandts Kniefall in Warschau - dieses Bild ging um in der (freien)
Welt. Ostpolitik kann man aber ohne Akten ebenso wenig schreiben wie die Ge¬
schichte des Bildes erklären, das beispielsweise in Polen sinnentstellend verwertet
wurde, indem es die staatliche Seite so bearbeitete, dass aus einem knieenden Wil¬
ly Brandt ein stehender Kanzler wurde und damit Brandts einmalige Versöhnungs¬
geste bis 1989 in Polen nicht verbreitet war21.
Die großen Gedächtnislücken des Saarlandes
Akten und damit archivische Überlieferung sind nicht nur ein Schlüssel zur Trans¬
parenz in einer gelebten Demokratie, sie bilden den Rohstoff für die Geschichts¬
schreibung, für das Erinnern und Gedenken und die Auseinandersetzung mit der
eigenen Geschichte. Das Jahr 2012 markiert mit dem Ende des Bergbaus eine der
bedeutendsten Zäsuren in der saarländischen Landesgeschichte. Im Saarland soll
dazu 2012 eine Ausstellung präsentiert werden22.
Was ist historisch vom montanindustriellen Erbe des Saarlandes geblieben? Mit
dem UNESCO-Weltkulturerbe Völklinger Hütte verfügt das Saarland über einen
Schatz, aber es fehlt bis jetzt [Juli 2012] eine auch nur annähernd geschlossene ar¬
chivische Überlieferung des Bergbaus und der Eisen- und Stahlindustrie. Auch die¬
ser Verlust betrifft primär nicht nur eine Fachelite, sie berührt die Identität des
Landes in der Auseinandersetzung mit seiner Geschichte. Auch wenn es sich bei
den Hüttenwerken und dem Bergbau nicht um Stellen handelt, die nach Archivge¬
setz ihre Unterlagen dem Landesarchiv hätten anbieten müssen, so waren es Milli¬
onen von Steuergeldern, mit denen diese Unternehmen in und durch den Struktur¬
wandel begleitet wurden. Ohne diese Überlieferung fehlen der Öffentlichkeit aber
die Kontexte, die Geschichte des Bergbaus und der Hüttenwerke an der Saar aufzu¬
arbeiten; und auch ihre Umwidmung und Nutzung als Industriedenkmäler wird
dadurch erschwert. Mit Blick auf die Bedeutung der Montanindustrie für unsere
Region fehlt uns damit ein Kernbestandteil unseres historischen Gedächtnisses.
Inwiefern aus saarländischer Perspektive die archivische Überlieferung über¬
haupt ausreicht, die Geschichte unserer Region von 1957 bis in die Gegenwart zu
schreiben, bleibt fraglich. Für die Überlieferung des Stadtarchivs gibt es erhebliche
Lücken, obwohl das heute älteste Archiv im Saarland kaum Kriegsverluste erlitten
hat. Dieser Befund erscheint dem Autor keine Saarbrücker Singularität zu sein.
21 Denkmalsturz? Brandts Kniefall, hg. von Michael Wolffsohn und anderen, Konstanz
2006, S. 59; Krzysztof Ruchniewicz, Verständigung und Versöhnung zwischen Polen
und Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg - am Beispiel der Reisen deutscher Politiker
nach Polen, in: Ders., Zögernde Annäherung. Studien zur Geschichte der deutsch¬
polnischen Beziehungen im 20. Jahrhundert, Dresden 2005, S. 133-147, insbes. S. 142.
22 Saarbrücker Zeitung vom 7.12.2011.
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