Full text: Historische Blicke auf das Land an der Saar

ten Veränderungen der Nachfragestrukturen, der Konkurrenzverhältnisse, auf den 
Weltmärkten und des technischen Fortschritts ergeben“10 11. Die westdeutsche Volks¬ 
wirtschaft der „langen“ 1970er Jahre war - ähnlich wie andere westeuropäische 
Volkswirtschaften auch - sowohl durch eine zunehmende Bedeutung von Dienst¬ 
leistungen zu Lasten des verarbeitenden Gewerbes als auch durch Gewichtsver¬ 
schiebungen innerhalb des sekundären und tertiären Sektors gekennzeichnet". 
Dieser säkulare Strukturwandel, der durch eine Destabilisierung der die Nach¬ 
kriegsprosperität prägenden Produktionsfunktion zugleich eine mittelfristige 
Bestimmungskomponente besaß12, verlief bei raschem Bedeutungsverlust und 
regionaler Konzentration bestimmter Wirtschaftszweige mitunter äußerst krisen¬ 
haft. ln diesem Zusammenhang ist die konjunkturhistorische Erkenntnis zu berück¬ 
sichtigen, dass das zyklische Bewegungsmuster marktwirtschaftlicher Entwicklung 
immer auch zugleich eine strukturelle Komponente aufweist beziehungsweise mit 
den im Raum und in der Zeit ungleichmäßig verlaufenden Strukturwandlungspro¬ 
zessen wechselseitig miteinander verbunden ist13. Die regional ganz unterschied¬ 
lich in Erscheinung tretenden branchenspezifischen Strukturkrisen - so die Hypo¬ 
these - wurden insofern in ihrem Ausprägungsgrad durch die damaligen konjunk¬ 
turellen Abschwungsbewegungen des Wirtschaftswachstums verschärft. Unter 
„Konjunktur“ sollen dabei - ganz allgemein - relativ regelmäßig wiederkehrende 
Schwankungen der wirtschaftlichen Aktivitäten verstanden werden. Inwieweit es 
sich dabei um systemimmanente Phänomene des Industriekapitalismus oder statt 
dessen eher um exogen verursachte Störungen von zum Gleichgewicht tendie¬ 
renden Marktprozessen handelt, ist nach wie vor umstritten und kann an dieser 
Stelle nicht diskutiert werden14. Offensichtlich ist lediglich, dass einige Rezes¬ 
sionen der Konjunkturgeschichte, wie etwa die Weltwirtschaftskrisen von 1873/79 
oder von 1929/32, aber auch die rezente Globalisierungsrezession von 2008/09 la¬ 
tent vorhandene Strukturkrisen zum Ausbruch brachten, sich mit ihnen überla¬ 
gerten und den Strukturwandel beschleunigten beziehungsweise beschleunigen". 
Die sich in der Regel zunächst als konjunktureller Abschwung manifestierenden 
Strukturkrisen bilden demnach einen integralen Baustein längerfristiger Ent- 
10 Karl-Heinz Paqué, Structural Unemployment in Europe, in: The Kiel Institute of World 
Economics, Working Paper No. 756, Kiel 1996, S. 3. 
11 Zur Tertiarisierungsproblematik vgl. unter anderen Karl Georg Zinn, Die Wirtschafts¬ 
krise. Wachstum oder Stagnation. Zum ökonomischen Grundproblem reifer Volkswirt¬ 
schaften, Mannheim 1994, S. 86-95. 
12 Vgl. Margrit Grabas, Einige methodologische Reflexionen zur konjunktur- und wachs¬ 
tumshistorischen Erforschung der Europäischen Nachkriegsprosperität (1948-1973) - 
Dargestellt an der deutsch-deutschen Wirtschaftsgeschichte, in: Internationale Wissen¬ 
schaftliche Vereinigung Weltwirtschaft und Weltpolitik (IWVWW) - Berichte 180/181 
, (2008), S. 8-28, S. 23-25. 
13 Stellvertretend Volker Bornschier, Westliche Gesellschaft im Wandel, Frankfurt 1988; 
Joseph A. Schumpeter, Business Cycles. A Theoretical, Historical, and Statistical Ana¬ 
lysis of the Capitalist Process, New York 1939. 
14 Vgl. hierzu ausführlich Grabas, Konjunktur (wie Anm. 7), Kap. I. 
Vgl. zusammenfassend dies., Die Gründerkrise von 1873/79 - Fiktion oder Realität? 
Einige Überlegungen im Kontext der Weltfinanz- und Wirtschaftskrise von 2008/09, in: 
Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte: Konjunkturen und Krisen in der neueren Geschichte 
(2011/1), S. 69-96. 
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