Die Familienzulage als Besonderheit im Recht
des Saarlandes zwischen 1947 und 1959
Thomas Gergen
I. «Tag X“ und das besondere Recht des Saarlandes seit
Kriegsende
Die Eingliederung in das Wirtschafts- und Währungssystem der Bundesrepublik
Deutschland im Jahre 1959 („Tag X“ am 5. Juli 1959) schloss die politische und
damit staats- und völkerrechtliche Entwicklung des Saarlandes entscheidend ab.
Das Gesetz zur Einführung von Bundesrecht im Saarland vom 30. Juni 1959 hatte
diesen Beitritt vorbereitet* 1. Mit dem 1. Januar 1957 war das Saarland bereits Land
der Bundesrepublik geworden; die durch die wirtschaftliche Überleitung bedingten
Unterschiede gegenüber der Rechtsstellung der anderen Bundesländer sollten da¬
nach ausgeglichen werden2. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem „Saar¬
urteil“ vom 4. Mai 1955 klargestellt, dass das Saarland trotz der faktischen Tren¬
nung vom übrigen Deutschland und ungeachtet des deutsch-französischen Saarab¬
kommens vom 23. Oktober 1954 ein Teil des Deutschen Reiches sei und ferner,
dass die saarländischen Gerichte auch deutsche Gerichte seien3. Saarländische Ge¬
richte zitierten auch bundesdeutsche Entscheidungen. Das spezielle Publikations-
organ aller Gerichtszweige im Saarland war die „Saarländische Rechts-und Steuer¬
zeitschrift“ (SRuStZ), die ab August 1957 als „Justizblatt des Saarlandes“ (JB1S)
weitergeführt wurde und Ende 1967 ihr Erscheinen einstellte. An die Stelle des
Justizblattes trat sodann das Gemeinsame Ministerialblatt Saarland, in welchem
fast ausschließlich amtliche Texte veröffentlicht wurden. In der Zeitschrift „Saar-
Wirtschaft“ erschienen von 1949 bis Februar 1956 ebenfalls Artikel zum Recht des
Saarlandes.
Auf vielen Rechtsgebieten bestand besonderes saarländisches Recht, das zwar
den heute tätigen Juristen wegen Verstreichens von Übergangsfristen nicht mehr
interessiert, gleichwohl für die juristische Zeitgeschichte des Landes und damit
auch für die deutsche und europäische Rechtsgeschichte von Belang sein sollte.
Viel geschrieben wurde im Bereich des Staats- und Völkerrechts, des Staatsange-
hörigkeits- und Personenstandsrechts sowie zum allgemeinen Verwaltungs- und
Verwaltungsstreitverfahrensrecht. Neben dem Kulturrecht finden sich Beiträge
zum Recht der Gebietskörperschaften, Bau-, Jagd-, Spoliationsrecht, sodann etli¬
ches zum Finanz-, Steuer-, Zoll- und Steuerstrafrecht. Auch fanden Gewerbe- und
Arbeitsrecht, das Recht des öffentlichen Dienstes oder das Gerichtsverfassungs¬
recht speziellen Nachhall im Schrifttum. Wohnbewirtschaftungs- und Mietrege¬
' BGBl. I S. 313, 644, T-Blatt „Saarland“.
Thomas Gergen, Von der Saarprovinz zum Saarland. Die Vorgängerorganisationen des
Saarlandes bis zu den Volksabstimmungen von 1935 und 1955, in: Saarländische Kom¬
munalzeitschrift (SKZ) 9/2005, S. 211-230, S. 222.
Neue Juristische Wochenschrift (künftig: NJW) 1955, 865; BVerfG v. 6. Oktober 1955 -
1 BvR 85/55, in: Betriebs-Berater (künftig: BB) 1955, 909.
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