Im anglo-amerikanischen Raum gewann die die Umweltgeschichte relativ früh
eine feste institutioneile Basis: 1975 hielt die „American Society for Environmen¬
tal History“ ihr erstes Treffen ab und gründete ein Jahr später das Publikationsor¬
gan „Environmental Review“, das seit 1989 in Zusammenarbeit mit der „Forest
History Society“ unter dem Titel „Environmental History“ geführt wird. Das erste
europäische Institut für Umweltgeschichte wurde 1991 an der schottischen Univer¬
sität von St. Andrews gegründet, dem 1999 die Gründung des „Arts and Humani¬
ties Research Council (AHRC)“ an der Universität von Stirling folgte. Im selben
Jahr konstituierte sich die „European Society for Environmental History“ (ESEH),
die seit 2001 große internationale Konferenzen im zweijährigen Turnus durchführt.
Trotz der großen Anzahl erstklassiger Studien zur Umweltgeschichte und trotz
der enormen gesellschaftlichen Relevanz, die das Thema „Umwelt“ seit den
1970er-Jahren gewonnen hat, lassen sich eine vergleichbare Institutionalisierung
und Wertschätzung in Deutschland nur ansatzweise beobachten. Die Umweltge¬
schichte fristet noch immer eine eher unscheinbare Randexistenz als Teil- oder
Subdisziplin der Geschichtswissenschaft, wenngleich in der letzten Dekade ein
Umschwung erkennbar ist. So ist Umweltgeschichte mittlerweile an zwei Universi¬
täten, der Ruhr-Universität Bochum und der Technischen Universität Darmstadt,
Bestandteil von Lehrstuhldenominationen; seit 2004 besteht in Göttingen das vor¬
erst noch bis 2013 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geforderte Gradu¬
iertenkolleg „Interdisziplinäre Umweltgeschichte - Naturale Umwelt und gesell¬
schaftliches Handeln in Mitteleuropa“, und 2009 wurde an der Ludwig-
Maximilians-Universiät München das „Rachel Carson Center for Environment and
Society“ gegründet. Doch Umweltgeschichte ist alles andere als historiographi-
scher Mainstream: In den „Leitdebatten der Zeitgeschichtsforschung“ sind umwelt¬
historische Fragestellungen von geringer Bedeutung und die Aufnahme der „Um¬
weltzeitgeschichte in den ,Kanon4 zeithistorischer Forschung steht noch aus“3, ob¬
gleich mehr als evident ist, dass die Geschichte des 20. Jahrhunderts ohne Berück¬
sichtigung der ungeheuren Intensität seiner fundamentalen ökologischen Verände¬
rungen kaum geschrieben werden kann.
Geschichte der Umwelt im Ruhrgebiet, Essen 1992; Mensch und Umwelt in der Ge¬
schichte, hg. von Jörg Calliess, Jörn Rüsen und Meinfried Striegnitz, Pfaffenweiler
1989; Arne Andersen, Umweltgeschichte. Forschungsstand und Perspektiven, in: Ar¬
chiv für Sozialgeschichte 33 (1993), S. 672-701; Historische Umweltforschung. Wissen¬
schaftliche Neuorientierung - Aktuelle Fragestellungen (Bensberger Protokolle 71), mit
Beiträgen von Arne Andersen, Claudia Bruch und anderen, Bensberg 1992; Umwelt¬
geschichte. Themen und Perspektiven, hg. von Wolfram Siemann, München 2003; Um¬
welt-Geschichte. Arbeitsfelder, Forschungsansätze, Perspektiven, hg. von Sylvia Hahn
und Reinhold Reith, München 2001; Joachim Radkau, Natur und Macht: Eine Weltge¬
schichte der Umwelt, München 2000; Rolf Peter Sieferle, Rückblick auf die Natur. Eine
Geschichte des Menschen und seiner Umwelt, München 1997; John R. McNeill, Some-
thing New under the Sun: An Environmental History of the Twentieth-Century World,
New York 2000; The Frontiers of Environmental History/Umweltgeschichte in der Er¬
weiterung, hg. von Frank UekÖtter, Köln 2004 (Historical Social Research 29,3); Frank
Uekötter, Umweltgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, München 2007.
Jens Ivo Engels, Umweltgeschichte als Zeitgeschichte, in: Aus Politik und Zeitgeschich¬
te 56,13 (2006), S. 32-38, hier S. 32.
372