Das evangelische Pfarrhaus.
Verwandtschaftliche Bande in evangelischen
Pfarrfamilien der Saargegend als Garant eines
LUTHERISCHEN KONTINUUMS
Joachim Conrad
L Einleitung
In seinem Büchlein „Pfarrerskinder“ hatte Martin Greiffenhagen vor rund dreißig
Jahren festgehalten: „Jahrhunderte lang hat das evangelische Pfarrhaus auf die
deutsche Kultur bedeutenden Einfluß gehabt. Pfarrerskinder waren es zum großen
Teil, welche die spezifische Variante deutschen Geisteslebens, einer Kultur des
Wortes und seiner Auslegung, geprägt haben. Was Friedrich Nietzsche und
Gottfried Benn, Hermann Hesse, C. G. Jung und Albert Schweitzer verbindet, ist
das väterliche Thema: Protestantismus als Beruf. Welchen Beruf Pfarrerskinder
auch ergriffen, die väterliche Berufung wurde für viele Herausforderung, Anspruch
und Maßstab zur Bewährung in einer Welt, die über sich hinausweist“1. Dabei ist
es unstrittig, dass aus der häufig doch großen Kinderschar im evangelischen Pfarr¬
haus mindestens ein Sohn Pfarrer wurde, und nicht selten ehelichte eine Tochter
einen anderen Pfarrer. So garantierte das Pfarrhaus selbst den Pfarmachwuchs und
erwies sich dem katholischen Zölibat gegenüber an dieser Stelle überlegen. In
Schwaben beispielsweise kann die Theologenfamilie Weismann Porträtbilder der
Sippe vorweisen, die bis ins 17. Jahrhundert zurückgehen und durch die jeweilige
Haartracht das Jahrhundert anzeigen. Ansonsten verbindet alle das weiße Beffchen
des lutherischen Predigers. Und die Familie nennt selbst Bücher des 16. Jahrhun¬
derts, darunter eine Vulgata-Ausgabe erster Hand, als ungebrochen im Familienbe¬
sitz, - woraus sich übrigens ein wichtiger Vemunftgrund für diese Tradition findet:
Bücher waren teuer, und eine „Kirche des Wortes“ war auf Bücher angewiesen.
Was für Württemberg gilt, muss für die Saargegend jedoch nicht zwingend gel¬
ten, allemal die zahllosen Kriege ja auch tief in die Entwicklung der Geschlechter
eingeschnitten haben. Es bedarf also einer Prüfung, ob gleiches auch für die
Region an Saar und Blies ausgesagt werden kann.
1 Martin Greiffenhagen, Pfarrerskinder. Autobiographisches zu einem protestantischen
Thema, Stuttgart 1982, S. 7.
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