Es kann und soll an dieser Stelle nicht geklärt werden, ob Lise und Bärbel
besonders hartherzige Menschen waren, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht
waren. Die Persönlichkeit der beiden Frauen tritt aus den Quellen nicht sehr deut¬
lich hervor. Aber anhand der zeitnahen Zeugnisse7 9 soll möglichst wertneutral dar¬
gestellt werden, welche familiären und politischen Interessen im Umkreis dieser
Frauen und ihrer Gönner miteinander in Konflikt gerieten sowie ob und wenn ja,
welche Konsequenzen ihr etwaiges skandalträchtiges Verhalten oder das ihrer adli¬
gen Liebhaber tur die Dynastie hatten.
Das Haus Lichtenberg
Über die Herkunft der Lichtenberger besteht Uneinigkeit in der Forschung. Die
jüngsten Ergebnisse verwerfen die beiden bislang konsolidierten Thesen, die Lich¬
tenberger entstammten einem Ministerialengeschlecht, das seinen Aufstieg den
Staufern verdankte oder sie kämen eigentlich aus dem rechtsrheinischen Raum,
und wollen belegen, dass diese Familie aus einem unterelsässischen Geschlecht
edelfreier Herkunft hervorgegangen sei'\
Ging man bisher auch davon aus, die Stammburg sei erst in der ersten Hälfte des
13. Jahrhunderts entstanden, verlegt Weber den Zeitpunkt für den Bau der Burg
Lichtenberg in die Jahre vor 1197°. Die enge Verbindung zum politisch starken
Bistum Straßburg - mehrere Mitglieder der Familie waren Domherren des Stra߬
burger Stifts und drei wurden sogar zum Bischof gewählt - erklärt, warum die
Lichtenberger ihre Burg unter den Schutz des Bischofs stellten und ihm zu Lehen
auftrugen. Ab 1249 übernahmen die Lichtenberger das Amt des Vogtes in Stra߬
burg. Gleichzeitig versuchten sie aber auch, von einer Verbindung mit der stärks¬
ten territorialen Macht, dem Bistum Metz, zu profitieren und nahmen um 1260 die
Dörfer Ingweiler und Buchsweiler, die die Grundlage des großen Territorialbe¬
sitzes des Geschlechts bildeten, von Metz zu Lehen. Dieses Bistum übertrug ihm
auch die Vogtei über die Abtei Neuweiler. Mehrere Reichslehen, Lehen vom Her¬
zogtum Lothringen und dem Bistum Straßburg sowie nicht geringer, durch Kauf
erworbener Allodialbesitz festigten die bedeutsame Stellung der Lichtenberger im
elsässischen Raum10 11. Dynastisch geschickte Eheschließungen trugen ebenfalls zur
Vergrößerung des Familienbesitzes bei". Als das Geschlecht der Landgrafen von
Werd im Mannesstamm auszusterben drohte, bemühten sich die Lichtenberger um
Einheirat in diese Familie, um durch Erbfolge über die weibliche Linie die Land¬
grafschaft zu erlangen. Wegen zu naher Verwandschaft und fehlenden päpstlichen
Dispenses mussten sie diese Pläne aber fallenlassen. 1332 allerdings war Landgraf
Friedrich Battenberg und Bernhard Metz, Lichtenberger Urkunden. Regesten zu den
Urkundenbeständen und Kopiaren des Archivs der Grafen und Herren von Lichtenberg
in Darmstadt, Karlsruhe, München, Speyer, Straßburg, Stuttgart und Ludwigsburg 1163
1500, Bde. 1-5, Darmstadt 1994.
* Weber, Peter Karl: Lichtenberg. Eine elsässische Herrschaft auf dem Weg zum Territo¬
rialstaat. Soziale Kosten politischer Innovationen, Heidelberg 1993, S. 29.
9 Ebd. S. 30f.
1(1 Eyer, Territorium (wie Anm 2), S. 21 f., auch S. 47-59; Das Reichsland Elsaß-
Lothringen, hg. vom Bureau des Ministeriums für Elsaß-Lothringen, Bd. 2, Straßburg
1901-1903, S. 573; Weber, Elsäsische Herrschaft (wie Anm. 8), S. 32.
11 Dazu vgl. Eyer, Territorium (wie Anm. 2), ab S. 105.
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