Eheskandale im Hause der Herren von Lichtenberg
(Elsass)?
Anne Katharina Pfeifer
Das Geschlecht der Herren von Lichtenberg gehörte bis in die zweite Hälfte des
15. Jahrhunderts zu den mächtigsten Familien im Elsass. Betrachtet man die Ge¬
schichte dieser Dynastie, stößt man in den Fünfziger Jahren des 14. Jahrhunderts
und noch einmal etwas mehr als hundert Jahre später auf zwei Vorfälle, die auf den
ersten Blick sehr ähnlich anmuten. Ein herausragender Vertreter des einflussrei¬
chen Adelsgeschlechts unterhielt eine Liebesbeziehung zu einer Frau, die nicht
dem gleichen Stand angehörte. Den Frauen gelang es, sehr großen Einfluss auf ihre
Gönner zu nehmen und diesen Einfluss zu ihrem Vorteil und ihrer persönlichen
Bereicherung auszunutzen. Dadurch gerieten sie und ihre adligen Beschützer in
den Fokus familiärer Auseinandersetzungen um Macht und Einfluss, die in beiden
Fällen zu Lasten der Frau und ihres Geliebten endeten.
Die Namen Lise von Steinbach und Bärbel von Ottenheim sind im Elsass un¬
trennbar mit dem der Lichtenberger Feudalherren verbunden. Nicht nur, dass sie in
der lokalen Sagenwelt ihren festen Platz gefunden haben1 *, auch in den einschlä¬
gigen Werken über Lichtenberg und seine Herren sind ihnen immer einige Zeilen
gewidmet'. Dabei standen die beiden Frauengestalten eher selten im Vordergrund
des wissenschaftlichen Interesses und es gibt keine Forschungsdiskussion im
eigentlichen Sinne. Lediglich Heinrich Lempfrid hat 1914 über Bärbel von Otten¬
heim gearbeitet, dabei viele Quellen aus den Archiven von Straßburg und Hagenau
zusammengestellt und erstmals wissenschaftlich ausgewertet’. Ganz den mora¬
lischen Vorstellungen seiner Zeit verhaftet, beurteilte er sie als „ein mit körper¬
lichen Reizen ausgestattetes, klug berechnendes, zielbewusst handelndes, selbst¬
süchtiges Weib, das einen ritterlichen, leutseligen, aber dem Leben wenig ge¬
wachsenen Mann voller Widersprüche in seinem Charakter [...] an sich zu fesseln
und zu beherrschen verstand [,..]“4 5. Die Forschung hat Lise von Steinbach kaum
mehr als ein paar Zeilen gewidmet. Um etwas über ihr Leben zu erfahren ist man
auf die historiographischen Quellen - zum Beispiel die Chronik des Jakob Twinger
von Königshofen^ - sowie einige wenige urkundliche Zeugnisse angewiesen. Auch
ihr haftete immer der Ruf des unelich böse wip an, das aus Habgier die Schwäche
eines charakterlich nicht gefestigten, aber im Grunde edlen Mannes ausnutzte6.
Fritz Eyer, Lichtenberg in Sage und Geschichte, Weißenburg 1965, S. 21 f. und S. 27-32.
So z. B. Fritz Eyer, Das Territorium der Herren von Lichtenberg 1202-1480, Straßburg
1938 und Johann G. Lehmann, Urkundliche Geschichte der Grafschaft Hanau-Lichten-
berg, unveränderter Nachdruck der ersten Auflage von 1862, Bd. 1, Pirmasens 1970.
Heinrich Lempfrid, Bärbel von Ottenheim. Sage und Geschichte, in: Jahresberichte des
Hagenauer Altertumsvereins 4/5 (1914), S. 38-99.
4 Ebd. S. 70.
5 Chronik des Jacob Twinger von Königshofen 1400 (1415), in: Die Chroniken der ober¬
rheinischen Städte: Straßburg, Bd 1-2, hg. von Karl Hegel (Die Chroniken der deutschen
Städte, Bd. 8 und 9), Leipzig 1870-1871, Bd. 2, S. 499-917 und Lehmann, Urkundliche
Geschichte (wie Anm. 2), S. 57f.
6 Jacob Twinger (wie Anm. 5), S. 803f.
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