gelagerte Komplexe handelt und weil eine königliche Perspektive allenfalls indi¬
rekt zu erkennen ist.
Die Erfassungsthematik verliert sich in ihrer großräumigen Ausrichtung im We¬
sentlichen im Verlauf des Hoch- und Spätmittelalters. Nur einzelne Stränge bleiben
erkennbar. Dazu gehört zunächst die Personenerfassung unter militärischem As¬
pekt. Sie war immer bedeutsam und ist ab 981 auch im Reich, freilich in mitunter
großen Sprüngen erkennbar.
Der betont herausgestellte Zusammenhang von Erfassung und Steuerwesen
bleibt offenkundig, wenngleich die zeitlich und sachlich vorgeschaltete Erfas¬
sungsthematik eine gesonderte Betrachtung verdient. Diese Bemerkungen gelten
weiträumigen Verhältnissen vorrangig königlichen Zuschnitts, ln anderen Berei¬
chen geht das Wissen um erfassende Politik mitunter nicht verloren, wie am Ende
des Mittelalters beispielsweise Volkszählungen belegen, etwa 1444 in Straßburg
und 1449/1450 in Nürnberg41 - erst die deutsche Moderne sieht in ihnen vermeint¬
liche Herrschaftsinstrumente unzulässiger Art.
In der Geschichte der französisch-deutschen Grenze gab es aber spätestens seit
1387 sowie 1390 umfangreiche „Inquisitionen“ unter Einschluss der Erfassung und
Befragung von Zeitzeugen. Der französische König hatte sie angeordnet, und die
genaue Erfassung sollte der dauerhaften Festigung der Grenzen dienen42.
Ohnehin gehört an den Schluss der Betrachtung der Hinweis, dass die Enquêtes
in Frankreich eine besondere Entwicklung erfuhren. Zuletzt hat Dietrich Lohrmann
herausgearbeitet, dass es seit dem 13. Jahrhundert in Frankreich der königlichen
Verwaltung gelang, mit Hilfe der Enquêten das Land „administrativ zu erfassen“
und „politisch-rechtlich zu kontrollieren“43. Dieser Entwicklung versagte sich
Deutschland, und erst seit dem 19. Jahrhundert lernte es, die Enquête als parlamen¬
tarischen Untersuchungsausschuss zu nutzen.
41 Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschiehte mittel- und oberdeutscher Städte im Spät¬
mittelalter, hg. von Gisela Möncke, Darmstadt 1982, Nr. 98 (Straßburger Volkszählung)
und Nr. 100 (Nürnberger Volkszählung).
4~ Thomas Trapp, Die französischen Enquêtes von 1387 und 1390. Ein Beitrag zur Lineari¬
tät mittelalterlicher „Staatsgrenzen“, in: Grenzen erkennen - Begrenzungen überwinden.
Festschrift für Reinhard Schneider, hg. von Wolfgang Haubrichs, Kurt-Ulrich JÄSCHKE
und Michael Oberweis, Sigmaringen 1999, S. 317-332.
43 Dietrich Lohrmann, Raumbewußtsein und Raumerfassung in Frankreich nach Enquêten
der königlichen Verwaltung (13. Jahrhundert), in: Raumerfassung und Raumbewußtsein
im späteren Mittelalter, hg, von Peter Moraw (Vorträge und Forschungen 49), Stuttgart
2002, S. 155-178.
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