gründer der bislang existierenden — wenn auch sehr kurzen und noch nicht besonders er¬
giebigen — ikonografischen Tradition der Trionfi und nicht zuletzt als eigenständiger
Künstler, der deren Ins-Bild-Setzung und Ausgestaltung mit seiner ganz eigenen Hand¬
schrift zugleich vollendet und - intermedial - aufhebt.
(3) Der ganze Aufwand ist der Mühe natürlich nur wert, wenn sich zur Mäzenin und ih¬
rem Künstler auch eine adäquate Adressatin sowohl für den künstlerischen Gehalt als
auch für die Botschaft der Truhen gesellt. Paola Gonzaga ist solch eine ideale Adressatin.
Ihre hohe humanistische Bildung, für die auch die in den Truhen mitgeführte Handbiblio¬
thek spricht, ist durch ihre erhaltene Korrespondenz mit der Familie absolut erwiesen. Für
sie sind die Truhen in jeder Hinsicht ,lesbar4. Sie kann die Botschaft beider, der Mutter
und des Künstlers, verstehen, weil auch sie sowohl mit der literarischen Vorlage für ihre
Truhen als auch mit der Trionfi-Tradition vertraut ist. Für sie sind diese Truhen nicht nur
Firinnerungsstücke an ihre Jugend in Mantua und Appell an ihre künftigen Aufgaben als
Mutter und hochadlige (Ehe-)Frau, ja sogar als Mäzenin unter Mantegnas eindringlichem
Blick aus dem Trionfo d’Amore. Sie kann den medialen Wandel vom literarischen Werk in
die der Antike verpflichteten Bilderwelt der Renaissance nachvollziehen und — zumindest
theoretisch — auch weitergeben. Beides als Mutter anhand dieses ,Anschauungsmaterials4
an ihre Kinder zu vermitteln, bleibt ihr verwehrt. Ob sie deren Gehalt ihrem Ehemann —
für den bei aller Ritterlichkeit kein vergleichbarer humanistischer Bildungshorizont postu¬
liert werden kann — zu vermitteln vermag, ist wie bereits erwähnt nicht gesichert; wenig¬
stens sucht Leonhard von Görtz, auch wenn es ,nur4 der Kostbarkeit der Truhen zu ver¬
danken sein mag, zu bewahren, was er nicht versteht. Nicht immer haben nachfolgende
Generationen in einem solchen Fall so reagiert.
Mit Paola Gonzagas Tod bricht diese exemplarische kleine Rezeptionskette ab. Sie be¬
legt nichtsdestoweniger, wie die Tradierung von Bildung im Zeichen des medialen Wan¬
dels vom Text zum Bild in der Renaissance nicht zuletzt als eine Art Familienunterneh¬
men — hier der Gonzaga -, wenn nicht gar als ,Frauensache4 - hier von der Mutter zur
Tochter — funktioniert.
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