Der „größte Repräsentant humanistischer Kunst in Oberitalien“, wie ihn Pacht nennt,1
hat dabei sicher genauso wenig an Entwürfe für Brauttruhen gedacht wie er sich träumen
ließ, dass diese „rare[n| Exempla der Elfenbeinkunst der Renaissance“, so Silvia Ferino-
PagdenQ bald wieder den Weg zurück in einen sakralen Raum finden würden. Denn die
inzwischen in Reliquienschreine verwandelten Brauttruhen oder cassoni der Paola Gonzaga
stehen heute im Grazer Dom rechts und links vor dem Eingang zum Altarraum. Diese
Sakralisierung eines profanen Gegenstands ist zwar, wie sich noch zeigen wird, durch die
Art des Dekors der Truhen durchaus gerechtfertigt,1' es ist aber zweifelhaft, ob dessen
Bedeutung heute noch vielen Besuchern des Grazer Doms gewärtig ist.
Indessen zeugen die die beiden Truhen schmückenden kunstvollen Elfenbein-Reliefs
von der tiefen Vertrautheit der frühen Petrarca-Rezeption — exemplarisch dafür steht hier
die Familie und der Hof der Gonzaga im Palazzo Ducale in Mantua — mit Petrarcas Trionfi.
W as ich in der Folge zeigen will, ist nicht nur, wie die Trionfi auf Paola Gonzagas Braut¬
truhen und diese später in den Grazer Dom kommen, sondern auch, welches Verständnis
des literarischen Werks, das den Elfenbeinreliefs zu Grunde liegt, dieser Weg voraussetzt.
Denn gerade was die frühe Rezeption von Petrarcas Werken im medialen Wandel vom
geschriebenen Text zur bildlichen Darstellung angeht, werden in der Petrarca-Forschung
nach meinem Ermessen bisweilen geradezu gegenwärtige Maßstäbe angesetzt. Es wird
von einem verlorenen Wissen um den Text ausgegangen, wie es so zumindest für die Le¬
serinnen und Leser der Renaissance nicht postuliert werden kann.
Ich werde daher in einem ersten Schritt den Weg der Truhen vor ihrer endgültigen
Platzierung im Grazer Dom von Barbara von Brandenburg über Andrea Mantegna bis zu
Paola Gonzaga verfolgen. In einem zweiten Schritt werde ich das Bildprogramm im Text¬
zusammenhang vorstellen und danach den ersten und am aufwändigsten ins Bild gesetz¬
ten der Trionfi den ,Triumph Amorsc, einer exemplarischen Analyse unterziehen, bevor
ich am Beispiel des Rezeptionsdreiecks Barbara von Brandenburg — Andrea Mantegna -
Paola Gonzaga zu einer abschließenden Würdigung der Rezipienten des Quattrocento
komme.
17 Ebd., S. 93.
[H Ferino-Pagden 2001, S. 35. Zur Elfenbeinkunst in der Renaissance vgl. ferner z.B. Theuerkauff 1986;
Philippowieh 1961, S. 76-96: „Italien“; Pelka 1920, S. 219-234 „(6 B c) Italien“ und „Die Renaissance“;
und Scherer 1903, S. 3-10: „Die Elfenbeinplastik der Renaissance“.
19 Wobei dieser inhaltliche Aspekt für die Sakralisierung von profanen Kunstgegenständen nicht von Be¬
deutung ist, sondern allein ihre Kostbarkeit und ihr künstlerischer Wert. Und Elfenbein gilt als besonders
kostbar. So werden auch arabische Elfenbeinarbeiten ohne Umstände in Reliquiare umgewandelt (vgl.
z.B. das so genannte „Schreibzeug des hl. Leopold“, Kotzung 2004, S. 398f., Kat. Nr. 62).
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