gen zu Fürsten des niederländisch-niederrheinischen Raumes unterhalten haben. Das be¬
zeugen sein prachtvolles, von 1356 bis 1396 geführtes Wappenbuch und die davor ge¬
schriebenen mittelniederländischen, dutschen Reimchroniken der Herzoge von Brabant und
der Grafen von Holland, von denen letztere 1355 mit einem Preis auf die Tochter Wil¬
helms III., Margarethe, von der noch ausführlich die Rede sein wird, endet; das bezeugen
auch historische Lieder und Wappengedichte auf Fürsten, die seinem Wappenbuch beige¬
geben wurden1. Dieser Reimsprecher und Herold mit dem Dienstnamen Gelre hieß eigent¬
lich Heynen; sein Nachfolger wurde 1371-1404 sein Sohn Claes Heyneng-soon (sic!) deRuyris,
der danach bis 1411 unter dem Dienstnamen Beyeren als Herold in den Dienst des Herzogs
Wilhelm II. von Bayern-Straubing und Holland (f 1417) trat, womit wichtige Beziehungen
zwischen dem bairisch-wittelsbachischen und dem niederländischen Raum sichtbar wer¬
den, von denen ebenfalls noch zu sprechen sein wird* 4 5.
Es ist wTohl kein Zufall, sondern den genealogischen Prätentionen Wilhelms 111. zu ver¬
danken, wenn der aus dem niederrheinisch-niederländischen Umkreis Gelres stammende
Verfasser in seiner Ehrenrede, eigentlich einem Planctus (,Van deme greven van HollanF),
einer Totenklage auf den vierfachen Grafen, den er auch wegen seiner Abkunft als
Aquitain (v. 378) rühmt", Bezug auf das dichterische Vorbild, den kanonischen Autor
Wolfram von Eschenbach, den ,Willehalm‘-Autor also, nimmt (v. 14f.):
Och hedde ich Wolfraimis rnrnt
Den man heist vajn] Eyschebach
(„Ach hätte ich den Mund, die Redegabe Wolframs, den man ,den von Eschenbach‘ heißt
Die 480 Verse lange Rede gibt sich formal als Gebet an den Herrn, an Got here und die
gotteyt, beginnt und endet auch mit ihrer Anrufung. Sie besteht aber im Kern aus einer
komplexen allegorischen Narration. Der Dichter flieht eines Nachts vom Sturm verjagt
aus seiner Behausung und gerät in eine Wildnis, ein Waldgebirge, womit der eremus., der
Ort des ganz Andern, aber auch der Ort des Numinosen aufgerufen wird. Die Wildnis ist
angefüllt mit wilden würme(n) (v. 46), d.h. Drachen, aber auch mit lewen und beren, denen er
nur mühsam entgeht. An einem Brunnen findet er eine weinende, schreiende, seufzende,
in allen Gesten der Klage agierende Dame, die sich erstaunlicherweise als „Frau Tugend“
(de hogelofde dügent, v. 115) zu erkennen gibt. Nach dem Grund ihres exorbitanten Schmer¬
zes, ihrer Seins- und Glücksverlorenheit (v. 108) gefragt, verweist sie den Dichter an ihre
Schwester „Frau Ehre“ und deren Hof. Dorthin gelangt der Wanderer nach erneutem
Aufstieg durch das wilde Gebirg und trifft die höfische Herrin der Ehre mit ihrem (ein¬
(1976), S. 233-250.
3 Vgl. Bouton: Wapenboek (wie Anm. 1), Bd. 1 und Supplement; Riegel: „Fragment“ (wie Anm. 1).
4 Rosenfeld: „Gelre“ (wie Anm. 1), Sp. 1187.
5 von der Hagen, Friedrich: „Graf Wilhelm von Holland. Aus der Berliner Handschrift von Gottfrieds
Tristan“, in: Germania 6 (1844) S. 251-271. Vgl. dazu Rheinheimer, Melitta: Rheinische Minnereden. Untersu¬
chungen und Edition, Göppingen 1975, S. 14-17, 232 (mit weiteren Rezeptionszeugnissen); Nolte: Eaudapost
mortem (wie Anm. 1), S. 167-172; Ders.: „Totenklage auf Graf Wilhelm 111. von Holland“, in: Die deutsche
Uteratur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 9 (1995), Sp. 988-989. Der Text stammt aus der be¬
rühmten Blankenheimer Tristan-Handschrift, Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Staatsbibliothek
germ. 4° 284 (ripuarisch, 2. H. 14. |h.).
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