Bücher, Bildung und Herrschaft von Fürstinnen im Umkreis
des Prager Hofes der Luxemburger
Amalie Föbel
Adlige Frauen, Fürstinnen, Königinnen werden oft mit Büchern dargestellt. Festgehalten
werden die Momente, in denen ihnen Bücher überreicht werden. Eine berühmte Szene
zeigt die Schriftstellerin Christine de Pizan, als sie der Königin Isabeau von Frankreich ei¬
ne umfangreiche, in rotes Leder gebundene prachtvolle Handschrift schenkte.1 Eine ande¬
re Abbildung illustriert, wie der Schreiber einer Ausgabe von Boethius’ Trost der Thilosophie
diese an Königin Margarete von York aushändigte.2 3 Neben solchen Schenkungsritualen,
in denen hochadelige Damen und ihre Bücher im Mittelpunkt stehen, finden sich zahlrei¬
che Bilder lesender Frauen. Besonders häufig wird in der mittelalterlichen Kunst die jung-
frau Maria als Lesende dargestellt: Maria liest in der Stunde, als der Erzengel Gabriel zu
ihr trat, um ihr die Empfängnis jesu zu verkünden. Sie liest aber auch im Stall zu Bethle¬
hem, vor ihrer Niederkunft sowie nach der Geburt Jesu, während Joseph mit dem Kind
im Arm zu ihren Füßen kauert. Sie liest auf der Flucht nach Ägypten, auf dem Esel rei¬
tend, und wiederum ist es Joseph, der das Kind in den Armen hält und behütet. Maria ist
von ihrer Mutter Anna mit Büchern unterrichtet worden. Sie selbst unterrichtet dann auch
Jesus und die Apostel. Sie schreibt ihren Lobpreis, das Magnifikat. Im Mittelalter wird
Maria zum gelehrten Vorbild für die Frauen, so sieht es Christine de Pizan. Maria als
Himmelskönigin ist die Vornehmste aller Frauen, ihr gebührt der erste Platz an der Spitze
der ,Stadt der Frauen4 5 als einem Ort der Zurückgezogenheit und Ruhe für das Lernen und
die Aneignung von Bücherwissen.4
Auch die meisten Königinnen und hochadeligen Damen im mittelalterlichen Europa
besitzen und lesen Bücher, die für sie angefertigt, die ihnen geschenkt wurden, die sie in
Auftrag gaben, die man ihnen widmete und die ihnen in den Hofbibliotheken zur Verfü¬
gung standen. Einige Fürstinnen verfassten oder übersetzen Bücher, wie die in diesem Band
im Mittelpunkt stehende Elisabeth von Nassau-Saarbrücken oder Eleonore von Österreich.
Und manchen — wie beispielsweise der Eleonore von Aquitanien - waren Bücher offensicht¬
lich so wichtig, dass sie mit einem Buch religiösen Inhaltes, einem Psalter oder Stundenbuch,
auf ihrem Epitaph dargestellt sein und dem Betrachter und Besucher für alle Zeiten als
fromme und gebildete Frauen erscheinen wollten. In der mittelalterlichen Malerei, Buchillu-
stration und Bildhauerei werden Bücher zu einem wesentlichen Attribut von Frauen.
1 London, British Library, Ms. Harley 4431, fol. 3, Abbildung in: Wege in die Stadt der Frauen. Texte und Bilder
der Christine de Pi^an. Margarete Zimmermann (Hg.), Zürich 1996, S. 21.
2 Universitätsbibliothek Jena, MS El. f. 85, fol. 13v.
3 Zahlreiche Abb. in: Schreiner, Klaus: Maria: Jungfrau, Mutter, Herrscherin, München / Wien 1994, passim.
4 Pizan, Christine de: Das Buch von der Stadt der Frauen. Vollständige Ausgabe, aus dem Mittelfranzösischen
übertragen, mit einem Kommentar und einer Einleitung versehen von Margarete Zimmermann (Hg.),
München 21990, III, 1, S. 249 f.; vgl. Kottenhoff, Margarete: „Du lebst in einer schlimmen Zeit“. Christine de
Diwans Frauenstadt ^wischen Sopalkritik und Utopie, Köln / Weimar / Wien 1994, S. 173-U5.
5 Abb. des Epitaphs der Eleonore in Fontevrault unter anderem in: Duby, Georges / Perrot, Michelle
(Hg.): Geschichte der Frauen im Bild, Frankfurt am Main 1995, S. 61.
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