düngen zu erhalten, das eigene Schicksal zu objektivieren und seine Chancen und Mög¬
lichkeiten zu antizipieren.1 Im Idealfall vermag sie die aufgegebene Heimat sogar als kul¬
turelle Mitgift im neuen Umfeld zu verwurzeln. Dies alles bleibt im Einzelfall zweifelsoh¬
ne hypothetisch, denn natürlich verraten die Prolog- und Epilogzuschreibungen über der¬
artige Motivationen nichts, ganz zu schweigen von unanfechtbaren urkundlichen Belegen.
Doch gerade die Häufigkeit der Koppelung von Gattungs- und Formzäsuren, die oft re¬
gelrechte Gattungs- und Formimporte aus der Herkunftswelt sind, mit weiblichem Mäze¬
natentum lässt sich durch die angestellten Überlegungen historisch plausibel erklären.
(3) Schon in unmittelbarer Überleitung zur ,Protagonistin4 dieser Studie ist ein letzter,
nun dezidiert auf die politische Situation und Rolle der Fürstin — und hier vorrangig der
Fürstengattin, nicht der zeitweilig tatsächlichen Regentin (etwa als Witwe und Vormund
noch nicht herrschaftsfähiger Kinder) — bezogener Aspekt weiblichen Mäzenatentums an¬
zusprechen, der größere, doch mitunter auch fragwürdigere Aufmerksamkeit gefunden
hat als der zuletzt verhandelte:^ Kunst und Literatur schaffen oder erweitern auch Spiel¬
räume der Partizipation an gesellschaftlicher Öffentlichkeit und Kommunikation, und
zumal mittelalterliches Mäzenatentum erschöpft sich nie im zweckfreien Part pour Part,
sondern konkretisiert diese Spielräume im Sinne spezifischer, auf die Rolle und das Um¬
feld des Gönners bezogener Funktionen. Weibliche Auftragskunst unterscheidet sich hier¬
in von männlicher nicht prinzipiell, erweitert aber das Funktionsspektrum um gender-^po.71-
fische Motive. So geht es, vereinfacht und ohne Anspruch aut Vollständigkeit, adligen
Mäzenen geschlechtsindifferent etwa darum, qua Kunstförderung ihrem Hof zeitgemäßen
Glanz (und damit Identität nach innen und Strahlkraft nach außen) zu verleihen, edle
Herkunft und herrschaftlichen Status zu demonstrieren, Selbst- und Machtverständnis zu
reflektieren, publizistische und memoriale Felder zu besetzen. Auf die Mäzen//? bezogen,
kann zu diesem Spektrum das Bestreben hinzutreten, objektive Beschränkungen direkter
Teilhabe an der höfisch-politischen Kommunikation1; durch Optionen indirekter Partizi¬
pation, etwa auf dem Weg der Belehrung, Kritik, Meinungs- und Willensbildung durch
und mittels Literatur, wettzumachen. Die Spezifika des mittelalterlichen Literaturbetriebs,
zumal seine konstitutive Öffentlichkeit und die Funktionseinheit höfischer Unterhaltung
und gesellschaftlicher (Selbst-)Verständigung, kamen diesem Bestreben fraglos entgegen.
1 Fürstliche Frauen spielen denn auch nicht selten bedeutsame Rollen in epischen Texten, hinter denen
Mäzeninnen stehen; der bereits erwähnte Wilhelm von Wenden mit der auf Guta von Böhmen bezogenen
Fürstengattin und Idealregentin Bene (vgl. Anm. 15; dazu noch einmal unten im Ausblick) ist nur ein be¬
sonders markantes Beispiel hierfür.
18 Vgl. z.B. Burchert, Bernhard: Die Anfänge des Prosaromans in Deutschland. Die Prosaerzählungen der Elisabeth
von \assau-Saarbrücken (Europäische Hochschulschriften, Reihe 1 962), Frankfurt am Main / Bern / New
York. 1987; Kästner, Hannes: „,Pontus und Sidonia‘ in Innsbruck. Appell und Apologie im Hofroman
des 15. Jahrhunderts“, in: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 2 (1982/83) S. 99-128; Morrison,
Susan S.: „Women Writers and Women Rulers: Rhetorical and Political Empowerment in the Fifteenth
Century“, in: Women in German Yearbook. Feminist Studies in German Uterature and Culture 9 (1993) S. 25-48.
Hierzu auch unten, Anm. 68.
19 Vgl. grundlegend Kintzinger, Martin: „Die zwei Frauen des Königs. Zum politischen Handlungsspiel¬
raum von Fürstinnen im europäischen Spätmittelalter“, in: Jan Hirschbiegel / Werner Paravicini (Hg.):
Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Stuttgart 2000, S. 377-398.
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