Full text: Interferenz-Onomastik

liehe, romanische Phase der Reconquista, die sich einerseits durch die Aus¬ 
dehnung der jungen romanischen Sprachen des Nordens nach Süden, anderer¬ 
seits durch starke ,europäische1 Einflüsse (Teilnahme von Ausländern an der 
Reconquista, Camino de Santiago, Zisterzienser, dynastische Verbindungen, 
europäische Modeströmungen in Kultur und Literatur usw.) auszeichnet. 
Schließlich folgt das Zeitalter der Entdeckungen, das die iberoromanischcn 
Sprachen in alle neuen Kontinente bringt und natürlich gerade auch im Be¬ 
reich der Namen und der Interferenz ein außerordentlich interessantes, bisher 
gewiss zu wenig aufgearbeitetes Arbeitsfeld darstellt. Schließlich folgt, im 
Zeitraffer, die aktuelle Situation mit der Wiederbelebung der historischen 
Regionalsprachen: Neben Kastilisch als Staatssprache haben das Galicische, 
das Baskische und das Katalanische offiziellen Status, Spanien ist ein Mehr¬ 
sprachenland. 
Jede dieser Phasen ist durch Interferenz auch bei den Ortsbenennungen 
gekennzeichnet, ein komplexes Arbeitsfeld tut sich auf. Die Romanisierung 
bedeutet die Übernahme und Anpassung von vorrömischen Ortsnamen sowie 
die Benennung von Neugründungen. Die germanische oder genauer suevisch- 
westgotische Periode scheint auf den ersten Blick für das Thema Ortsnamen 
weniger interessant, gibt es doch nur sehr wenige bekannte Ortsgründungen. 
In diesem Zusammenhang aber steht die außerordentlich schwierige Frage der 
Besitzerortsnamen, d.h. Mischformen mit einem lateinischen Grundwort und 
einem sehr oft germanischen Besitzemamen als Bestimmungswort. Beispiele 
sind bereits aus dem 6. Jahrhundert belegt, doch scheinen sich diese Orts¬ 
gründungen, meist durch Urbarmachung, auf die Zeit nach der Conquista, d.h. 
im 8. bis 10. Jahrhundert zu konzentrieren. Hier ist keinesfalls mehr von ger¬ 
manischen Namen auszugehen, sondern von Personennamen germanischer 
Etymologie oder Lehnnamen: Es handelt sich daher nur um eine scheinbare 
(oder indirekte) Interferenz, keinesfalls um hybride Namenbildungen. Glei¬ 
ches gilt vermutlich für Lehnwörter: So scheint etwa im Nordwesten lat. villa 
,Hof u.ä. in sehr zahlreichen Fällen durch das Lehnwort germ. *sala ,Herren- 
haus‘ abgelöst worden zu sein, von Mischbildungen kann aber vermutlich 
keine Rede sein. Gleiches gilt für die Übernahme des Suffixes -ing, das insbe¬ 
sondere im Nordosten zur Ortsbenennung nach dem Besitzer noch bis zur 
Jahrtausendwende produktiv ist.1 
Deutlicher werden Interferenzerscheinungen im jahrhundertelangen Neben¬ 
einander von islamischem und christlichem Hispanien. Einerseits werden 
überlieferte Namen phonetisch arabisiert, andererseits halten sich im Süden 
und Zentrum zahlreiche arabische Ortsnamen, insbesondere im Bereich der 
Gewässernamen. Zu diesen zählen etwa die zahlreichen Namen mit Guad- (im 
Vgl. Kremer, Dieter: „Germanisch-romanische oder romanisch-germanische Misch¬ 
bildungen?“, in: Albrecht Greule / Hans-Walter Herrmann / Klaus Ridder / Andreas 
Schorr (Hg.): Studien zur Literatur, Sprache und Geschichte in Europa. Wolfgang 
Haubrichs zum 65. Geburtstag gewidmet, St. Ingbert 2008, S. 345-374. 
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