Literalität, selten sind - dort herrscht eher Oralität, mit geringer schriftlicher
Überlieferung. ,Litterati", wie sie Haubrichs beschreibt, fehlen im Osten, sie
werden erst später von sich hören lassen (vgl. Hengst 2005). Sie sind prak¬
tische Handreichungen für die christliche Mission, also Gebete und Unterwei¬
sungen. Das stimmt überein mit zahlreichen toponymischen Äußerungen zur
christlichen Mission, die wir in den sechziger Jahren dargestellt und unserer
Analyse der altsorbischen Namentypologie, vor allem der Toponymie, einge¬
ordnet haben. Ein West-Ost-Kontrast für den Raum zwischen Elbe/Saale und
Oder und dem Donauraum erscheint zu einfach, denn in der christlichen Mis¬
sion ist auch ein Nord-Süd-Kontrast zu beobachten, obgleich die angelsäch¬
sische Mission, Magdeburg und Mecklenburg ausbauend und auf Gnesen aus¬
greifend, mit der südlichen, also mit den Bistümern Merseburg, Zeitz und
Naumburg bis an die Donau und Regensburg, im Süden über Freising nach
Salzburg, mit dem germanisch-romanischen Raum verbunden ist.
3. Toponymische Integration in der German/a /tomana und
Germania S/avica
Die bisherigen Vorarbeiten bieten eine feste Basis im Westen wie im Osten.
Die wichtigste Frage, wie romanische und slavische Toponyme in den deut¬
schen Namenschatz gelangt sind, ist von internationaler Bedeutung. Künftig
ist zu erforschen, inwieweit in der Germania Romana und in der Germania
Slavica parallele und divergente Entwicklungen verlaufen sind. Bestimmte
Indizien haben dazu geführt, vor allem im Bereich der so genannten Endungen
von Toponymen in der Germania Slavica wie solcher auf -en, -aun und ande¬
rer, Parallelen aufzudecken. Ist man soweit bereit, einen Blick von Westen
nach Osten und von Osten nach Westen zu werfen, so wird man eine Fülle
von Strukturen entdecken, die als Ergebnisse der Integration parallel verlaufen
sind und in der historischen Entwicklung im Westen wie im Osten im Integra¬
tionsprozess der betreffenden Sprachen dasselbe Resultat ergeben haben. Dies
ist überwiegend in jüngerer Zeit, sprachhistorisch in frühneuhochdeutscher
Periode, geschehen. Hier sind die Namentypen ohngeachtet ihrer Provenienz
einander angenähert, ja egalisiert worden. Dies ist auch anderswo an den
Rändern des deutschen Sprachgebietes zu beobachten und erfordert einen
europäischen Blick. Öffnen wir den Blick über Westeuropa hinaus, so bieten
die süd- und osteuropäischen Regionen mit ihren mannigfaltigen Interfe¬
renzerscheinungen reiche Möglichkeiten eines Vergleichs der Prozesse, wie
sie sich über Jahrhunderte vollzogen haben. Man muss eine Öffnung nach
Süden und Osten erreichen, um die so genannten ,westlichen1 Interferenz¬
phänomene in ihrem Ursprung und Verlauf mit anderen Regionen zu konfron¬
tieren. Aus dem slawisch-deutschen Bereich nenne ich hier eine Erscheinung,
die die Interferenz in Deutschland weitgehend beherrscht und die ich als Na-
mensimplizia charakterisiert habe, da sie im ostmitteldeutschen Raum ein
weitgehend wirkender Integrationsmechanismus ist. Hier sind Integrate wie
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