Wichtig scheint mir auch der Nutzen für ein anderes, anfangs kurz gestreif¬
tes älteres, heute aber fast vergessenes Problem zu sein: wenn das hier vorge¬
stellte Material in seinem Kern dafür spricht, dass es in der Hydronymie und
Toponymie besondere Beziehungen zwischen dem Südosten Niedersachsens
und dem Baltikum gibt und sich diese Erscheinung nahtlos in das bisher schon
bekannte Bild der besonderen Position des Baltischen einpassen lässt, ja man
sogar den Eindruck gewinnen könnte, Balten hätten in Niedersachsen Namen
gegeben (Dransfeld, Ihme, Jürse, Lühndel), so kann von vomeherein auch
erwartet werden, dass entsprechende, mit dem Baltischen eng verbundene
Namen auch in dem Raum zwischen dem Baltikum und Niedersachsen
vorhanden sind. Um es mit dem Titel eines Beitrages von Hermann Schall zu
fassen: „Baltische Sprachreste zwischen Elbe und Weichsel“4* sind zu er¬
warten, sie dürfen aber nicht in dem von ihm verstandenen Sinne interpretiert
werden, dass es sich um Relikte handelt, die von Balten gegeben wurden. Es
wird sich dabei viel eher - wie in Niedersachsen - um voreinzelsprachliche
Reste einer Sprachschicht handeln, die besonders enge Beziehungen zum Bal¬
tischen besitzen oder zum Teil besonders gut im Baltischen bewahrt wurden.
Summary
Baltic and Slavic Elements in German Place-Names?
The central position of the Baltic within the Old European Hydronymy (W.P.
Schmid) has consequences for the evaluation of river names in the Germania.
Still, even the Slavic has to be included, since the thesis of a Baltic-Slavic-
Germanic intermediate stage is by all means a current issue.
In this connection, it is of special importance that there are place names and
river names in Northern Germany whose appellativistic bases imply closer
contacts with the Baltic and the Slavic. These phenomenons are not only of
importance for the analysis of the early times and the classification of
Germanic, but also for the role of which has to be ascribed to the Old Euro¬
pean Hydronymy, this theory having been and still being exposed to severe
criticism. This essay tries to show that an unprejudiced evaluation of the
theory of Old European language only can take place by thorough exami¬
nation of the Eastern European languages and their name territory.
Germanenproblem“, in: Germanistik 36 (1995) S. 387.
l)H Schall, Hermann: „Baltische Sprachreste zwischen Elbe und Weichsel“, in: For¬
schungen und Fortschritte 36 (1962) S. 56-61; vgl. ferner Schall, Hermann: „Bal¬
tisch-slawische Sprachgemeinschaft zwischen Elbe und Weichsel“, in: Atti e
Memorie del VII Congresso Internaziole di Science Onomastiche, Bd. 2: Memorie
della sezione toponomastica, Firenze 1963, S. 385-404; Schall, Hermann: „Balti¬
sche Dialekte im Namengut Nordwestslawiens“, in: Zeitschrift für vergleichende
Sprachforschung 79 (1964) S. 123-170.
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