Raetia ein, deren größter Teil mit Südbayern identisch war. Lediglich der Süd¬
osten gehörte zur Provinz Noricum ripense; die Grenze zwischen beiden
Provinzen bildete der Inn. Vor der römischen Eroberung gehörte ganz Bayern
zum keltischen Latene-Kulturkreis. Ein städtisches Zentrum der Kelten in
Südbayern war sicherlich das Oppidum Manching bei Ingoldstadt. Möglicher¬
weise trägt die spätere römische Provinzhauptstadt Augusta Vindeli-
cww/Augsburg den Namen des keltischen Stammes, der im Voralpengebiet
vor den Römern dominierte, nämlich den der Vindeliker.
Bereits um die Mitte des 1. Jahrhunderts vor Christus waren elbgerma¬
nische Völkerschaften in das Gebiet des heutigen Bayerns eingedrungen und
trafen etwa in der Mitte des Landes auf den Widerstand der Römer, die um
150 nach Christus ihr Territorium durch den Limes Raetiae absicherten und
179/180 gegenüber der Mündung des Regens in die Donau das Legionslager
/teg/wVRegensburg zur Abwehr der Germanen errichteten. Das Ende der Rö¬
merherrschaft in Bayern im Sinne einer Aufgabe der ordnungsgemäßen
Provinzverwaltung wird heute um das Jahr 476 nach Christus vermutet (vgl.
Czysz u.a. 1995, S. 404).
Die 400 Jahre römischer Herrschaft in Bayern blieben nicht ohne Spuren.
Außer den Ortsnamen sind die Erkenntnisse der Archäologie, die sich auf die
Analyse der Grabbeigaben in merowingerzeitlichen Gräberfeldern stützen,
wichtig. Nach Arno Rettner, der die archäologischen Erkenntnisse in den Zu¬
sammenhang mit der Ethnogenese der ,Bajuwaren' bringt (Rettner 2004, S.
257-262), muss sich „noch eine große Menge romanischer Bevölkerung im
Land befunden haben.“ Diese romanische Bevölkerungsgruppe übte in nach¬
römischer Zeit einen beträchtlichen Einfluss auf die germanischen Einwan¬
derer aus. Ob man daraus wirklich den romantisch anmutenden Schluss ziehen
darf, dass „Romanen an der Wiege Bayerns standen“ (Rettner 2004, S. 269),
sei dahingestellt. Ich will darauf und auf die Konsequenzen, die sich daraus
für die Etymologie des ßa/ür«-Namens eventuell ergeben, nicht weiter
eingehen.
Vielmehr will ich mich einem Namentypus zuwenden, der am ehesten die
Kategorisierung ,romanische Namen' verdient. Es handelt sich um die -(i)anum-
Namen. Wie die -(i)acum-Namen, die Monika Buchmüller-Pfaff (1990)
ausführlich beschrieben hat, geht es auch bei den -(ijanum-'Namen um einen
Namentypus, der funktional und strukturell an das römische Fundussystem
gebunden ist: Die Fundi, die römischen Landgüter, und die Villae als deren
Zentren wurden nach ihrem (Erst-)Besitzer benannt (vgl. Buchmüller-Pfaff
1990, S. 5). Im Unterschied zu den -^/jacww-Namen, die als gallisch-römische
Hybridbildungen gelten, handelt es sich beim Suffix -anuml-ianum um ein
originär lateinisches Namenbildungsmittel.
Während es in Bayern einige wenige -(i)acum-Namen gibt, die außer
Epfach/Abudiakön weder lokalisiert noch etymologisiert sind (Cassalia-
cww/Memmingen?, Coveliacae/Moosberg?, /cm/acivm/Theilenhofen? [vgl.
Czysz u.a. 1995; Schnetz 1923]), scheint im römischen Bayern die Benennung
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