Albrecht Greule
Ortsnamen-Interferenzen im römischen Bayern.
Die -(i) an um-N amen
1. Einleitung
Es „ergibt sich heute ein eindrucksvolles Bild von nicht weniger als 230 Orts¬
namen mit romanischen beziehungsweise vordeutschen Wurzeln auf südbaye¬
rischem Boden“, so das direkte Zitat aus einem jüngst erschienenen Aufsatz
des Archäologen Arno Rettner (Rettner 2004, S. 262).
Diese Äußerung aus dem Munde eines Archäologen lässt den Namen-
kundler in mehrfacher Weise aufhorchen, zumal sie im Rahmen eines Auf¬
satzes mit der Überschrift „Baiuaria romana“ erst vor kurzem getätigt wurde.
Erstens freut es den Namen forscher, dass namenkundliche Forschungsergeb¬
nisse überhaupt von einem Archäologen wahr- und ernst genommen werden,
was durchaus keine Selbstverständlichkeit ist. Zweitens ist der Fachmann in
Fragen der Ortsnamen erstaunt über die präzise und auf den ersten Blick hoch
erscheinende Zahl von romanischen Ortsnamen in Südbayern.
Bei genauerem Fl insehen ist die von Arno Rettner zusammengestellte Sy¬
nopse der Forschung zu den ,romanischen' Namen in Bayern allerdings mit
einigen Unklarheiten behaftet. So tauchen zum Beispiel in seiner Liste der
„Romanischen und anderen vorgermanischen Ortsnamen sowie romanisch¬
germanischen Mischnamen in Bayern“ (Rettner 2004, S. 282-285) auch
wieder die längst als Namen mit germanischer Etymologie erkannten, zahl¬
reichen Weichs-Narnzn auf (dazu neuerdings: Behr 2005).
Die Ortsnamenforscher haben allerdings keinen Grund, sich über solche
Fehler zu mokieren. Zu Recht mahnt die Archäologie, die die Ortsnamen zu
ihrer Beweisführung einsetzen will, an, dass „vordeutsche Ortsnamen aus
Südbayem“ von der zuständigen Fachwissenschaft noch nicht systematisch
gesammelt worden sind (Rettner 2004, S. 262).
Mit den folgenden Ausführungen, die zwar nur einen Ausschnitt aus dem
Gesamtkomplex der vorgermanischen Ortsnamen in den Grenzen des einst rö¬
mischen Bayern behandeln, will ich dazu anregen, die Diskussion unter den
Namenforschern zu beleben und auf einen von den Nachbarwissenschaften
benutzbaren Katalog dieser Namen hinzuarbeiten; er könnte ja auch als Daten¬
bank konzipiert werden.
2. Germanisch-romanische Ortsnamen im ehemals römischen
Bayern
Das heutige Südbayern war einst auf zwei römische Provinzen verteilt: Um
die Mitte des 1. Jahrhunderts nach Christus richteten die Römer die Provinz
247