Es stellt sich daher die Frage, ob nicht bedingt durch den bairisch-slawischen
Sprachkontakt teilweise die eine gewisse Zeit bestehende Zweisprachigkeit der
Slawen als bairisch-althochdeutscher Einfluss den Verlust der Stimmhaftigkeit
der slawischen Lenisplosive bewirkt hat. ln einem solchen Pall war dann die
nur teilweise auftretende Gleichsetzung von nun stimmlos gewordenem slaw.
b- mit dem im Anlaut bloß vorhandenem bair-ahd. p- möglich. Die hier in
Auswahl behandelten integrierten Ortsnamen slawischer Herkunft mit an lau¬
tendem bair.-ahd./mhd. t- und p- für slaw. d- und b- erweisen sich also als Fälle
von Pseudolautverschiebung.
14. Ergebnisse
Die Zweite Lautverschiebung der germanischen Tenues t-p — k zu den Affri-
katen [ts\l<z> - \pf]/<ph, pf> - [kx]/<ch> bzw. zu den Frikativgeminaten
\ss]l<zz> - \ff\/<ff> - [xx]/<hh> je nach Position und der germanischen Medien
d - b ~ g zu den Fortisplosiven [/]/</> - [p]!<p> - [k]/<c, g> erfolgte im Bai¬
risch-Althochdeutschen vor der am Ausgang des 8. Jahrhunderts einsetzenden
Textüberlieferung. Es wurden daher in der bisherigen Forschung unterschied¬
liche Verläufe und Datierungen geboten, wobei in erster Linie die Untersu¬
chungen von Ernst Schwarz von 1927 als spezifische Analyse und die Darstel¬
lung von Eberhard Kranzmayer von 1956 im Rahmen der bairischen Lautge¬
schichte besonders zu nennen sind.
Zur Feststellung der vorliterarischen Vorgänge werden die bairisch-alt¬
hochdeutschen Integrate von Ortsnamen als Siedlungs-, Gewässer-, Berg-, Tal-
und Waldnamen untersucht. Sie stammen einerseits aus der Antike und sind
nach ihrer Herkunft und Etymologie vorindogermanische, indogermanisch-
voreinzelsprachliche, keltische und lateinische Bildungen, die im Westen ent¬
weder direkt aus dem Vulgärlateinischen oder erst aus dessen Weiterentwick¬
lung zum Romanischen ins Bairisch-Althochdeutsche integriert wurden. Nicht
alle bisher mangels antiker Belege rekonstruierten vordeutschen Etymologien
werden uneingeschränkt anerkannt, vielmehr werden teilweise immer wieder
Neuetymologisierungen vorgetragen und damit die bisher angenommenen
Grundlagen für Zweite Lautverschiebung bezweifelt. In dem seit dem ausge¬
henden 6. Jahrhundert slawisch besiedelten Osten wurden nur wenige antike
Ortsnamen tradiert und über das Slawische ins Bairisch-Althochdeutsche
übernommen, dafür aber umso mehr Ortsnamen slawischen Ursprungs. Für die
Durchführung und Datierung der komplexen Zweiten Lautverschiebung sind
die wenigen diesen Vorgängen unterworfenen Ortsnamenintegrate in den äl¬
testen Kontaktbereichen von Baiem und Romanen im Westen und von Baiern
und Slawen im Osten von besonderer Aussagekraft, das sind im länger roma¬
nisch verbliebenen Westen Tirol, Salzburg und das westliche Oberösterreich
und im einst slawischen Osten das östliche Oberösterreich mit südlichen Aus¬
läufern in die Steiermark und nach Kärnten. Besondere Probleme stellen sich in
Niederösterreich zu beiden Seiten des Wienerwaldes, wo antike Gewässernamen
ohne slawische Vermittlung ins Bairisch-Althochdeutsche integriert wurden.
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