Full text: Interferenz-Onomastik

9. Erläuterungen zur Zweiten Lautverschiebung und zur 
Wiedergabe von rom. v in Ortsnamenintegraten antik-ro¬ 
manischer Herkunft 
9.1. Allgemeines 
Karte 5 mit der Verbreitung integrierter antik-romanischer Siedlungs- und 
Gewässernamen südlich des römischen Limes an Altmühl und Donau zeigt in 
den altbairischen Gebieten Ober- und Niederbayerns und der südlichen Ober¬ 
pfalz sowie Oberösterreichs bis zur Enns die vollständige Durchführung der 
Tenuesverschiebung von t, p, k je nach Position zu den Affrikaten bair.-ahd. 
(-)z, (-)pf(-)ch- bzw. zu den Frikativgeminaten -zz-, -ff-, -hh-, wobei es im 
genannten Bereich keine Beispiele für den Labial -ff- gibt. Fraglich bleibt das 
Verhalten der lateinischen Lautfolge -tia, die bereits vulgärlateinisch palata- 
lisiert und zur Affrikata [/.v] assibiliert wurde. Das wird von Schwarz angesichts 
der Etymologie für Jarzt angenommen und für Gerzen, Kallmünz, Kollmitz- 
berg, Polsenz und Scharnitz offen gelassen. Gilt für Linz und wahrscheinlich 
auch für Kollmitzberg die noch zu nennende frühe, bereits germanische Inte¬ 
grierung, dann musste vlat. [A] mangels einer germanischen Entsprechung mit 
dem Plosiv t als nächst verwandtem Laut substituiert werden und konnte dann 
der Lautverschiebung zur Affrikata unterzogen werden. Je nach dem Zeitpunkt 
der Übernahme, der nur für Jarzt spät vermutet wird,ls liegt also Substitution 
und Lautverschiebung oder Übernahme der romanischen Affrikata in das neue 
Konsonantensystem vor. 
Die Verbreitung der Tenuesverschiebung korrespondiert, wie der Vergleich 
der Karte 5 mit den Karten 3 und 4 zeigt, mit dem Vorkommen der beiden 
ältesten makrotoponymischen Ortsnamentypen auf -ing und -heim, wobei 
letzteres als der etwas später produktiv gewordene Ortsnamentypus gegen die 
Ränder aussetzt. Die Südgrenze der -zwg-Namen liegt gegen den Beginn des 
Berglandes, was besonders schön an der östereichischen Osthälfte in Salzburg 
bis vor die Stadt und im südlichen Oberöstereich bis zum Atter- und Traunsee 
deutlich zu sehen ist. In dieser Grenzzone vom Walchensee über den Chiemsee 
bis zum Attersee treten auch die Walchen-Namen auf, die in der deutschen 
Sprache auf den Bevölkerungsgegensatz von Baiem und Romanen hinweisen 
und natürlich von den Baiern vergeben wurden. Bis hierher reichen auch die 
bairischen Reihengräberfelder des 6. und 7. Jahrhunderts.19 
Dieser gemeinsame Verbreitungsraum der beiden Ortsnamentypen gilt als 
der Bereich der bairischen Ethnogenese und als das anfängliche Siedlungs¬ 
gebiet der Baiem, wobei Oberösterreich, wenn nicht schon anfänglich dazuge¬ 
hörig, sich spätestens im Lauf des 6. Jahrhunderts anschließt. Zwar wird der 
ls Vgl. Schwarz 1970, S. 874, der sich zu rom. -tia S. 872 näher äußert. 
iy Vgl. die Karte bei Stornier 2002, S. 28f. 
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