Zweite Lautverschiebung im Bairischen als phonologischer Prozess mit Schub
und Sog in einem relativ kurzen Zeitraum von rund 90 Jahren etwa zwischen
690 und 780.
Die Gründe für die verschiedenen Datierungen mögen u. a. in der Überlie¬
ferung unverschobener Ortsnamen in den Salzburger Güterverzeichnissen
(Indiculus Arnonis) und in den Freisinger Urkunden wie Holthusir für Holz¬
hausen, ad Diupstadum für Tiefstadt, ad Lauppiom für Laufen und Mallakinga
für Malching liegen. Schwarz rechnet damit, dass zur Zeit der Abfassung der
Salzburger Quellen um 790 diese Formen nur bei den noch fortlebenden Roma¬
nen galten und dem sichtlich zweisprachigen romanischen Schreiber Bene¬
dictus sowohl unverschobene romanische als auch verschobene bairische For¬
men geläufig waren, so dass er „deshalb keinen Anstand darin fand, Namen
nach der Sprechweise beider ihm bekannter Sprachen wiederzugeben“
(Schwarz 1927, S. 252f.). Für Kranzmayers Spätdatierung der Zweiten Laut¬
verschiebung dürfte die Beurteilung der obgenannten unverschobenen Ortsna¬
men durch seinen Lehrer Josef Schatz ausschlaggebend gewesen sein, denn
Schatz sagt 1927 in seiner Althochdeutschen Grammatik dazu:
Diese Formen lassen sich erklären, wenn man annimmt, dass sie aus
Urkunden etwa des 7. Jahrhunderts übernommen sind, in welchen noch
unverschobene Laute geschrieben wurden; wäre die Verschiebung sehr
früh anzusetzen, dann würden sich so alte Bezeichnungen nicht gehalten
haben. (Schatz 1927, S. 94)
Nach der neuerlichen Untersuchung von Norbert Wagner „Zu den unver¬
schobenen altbaierischen Ortsnamen“ von 1991, in der er sich ausführlich mit
den schreibsprachlichen Abhängigkeiten und Beeinflussungen dieser Namen in
den überlieferten Kontexten auseinandersetzt, haben sie bei der Diskussion um
die Lautverschiebung fortan auszuscheiden, denn
Jene vermeintlich unverschobenen Formen haben [...] ihr Aussehen
nicht dem Überdauern im Munde von Romanen zu verdanken, sondern
sind lediglich partielle graphische Latinisierungen ganz regelmäßiger
altbaierischer Ortsnamen und auch Personennamen, die denn auch der¬
gestalt belegt sind. (Wagner 1991, S. 174)
Seit den Gesamtbeurteilungen durch Schwarz und Kranzmayer, wobei
Schwarz 1969 und 1970 noch zwei Studien zur Etymologie und zu den Tra¬
dierungen antiker Ortsnamen geliefert hat, sind Untersuchungen zur Lautver¬
schiebung in einzelnen Regionen erschienen, so 1960 von Karl Finsterwalder
und 2005 von Cristian Kollmann für Tirol; 1985, 1990 und 2004 von Peter
Wiesinger für Nieder- und Oberösterreich sowie 1991 von Ingo Reiffenstein für
Salzburg, der 2003 auch eine kurze bairische Sprachgeschichte der älteren Zeit
vorgelegt hat. Sie folgen bei zum Teil unterschiedlicher Einbeziehung von
Beispielen und teilweise verschieden angenommener Etymologien mehr oder
minder den bisher vorgetragenen Chronologien, wobei man bezüglich der