Full text: Interferenz-Onomastik

-ain und -on noch ein sprachgeographisches Argument hinzu, indem sie nach¬ 
zuweisen versuchten, dass diese Flexionstypen ursprünglich auf die Nachbar¬ 
gebiete der Germania beschränkt gewesen seien.3" Widerstand erhob sich 
dagegen durch den in Lyon lehrenden Edouard Philipon, der zu Recht betonte, 
dass die Annahme eines aus der germanischen schwachen Deklination über¬ 
nommenen -^-Elements dessen Auftreten bei stark flektierenden Frauenna¬ 
men, wie Ercambertane, Bertradane, usw., nicht erklären kann’*’ - ganz abge¬ 
sehen von der geringen Wahrscheinlichkeit der Übertragung eines solchen aus 
der Anthroponymie einer fremden Sprache übernommenen Musters auf die 
einheimische Hydronymie.' Zum anderen gab Philipon zu bedenken - und 
auch hier kann ihm die moderne Sprachkontaktforschung nur zustimmen -, 
dass die Flexionsmorphologie kein Bereich des Sprachsystems ist, in dem sich 
interferenzbedingte Innovationen besonders häufig bemerkbar machen.38 Er 
kann sich die Verhältnisse daher nur so erklären, dass den germanischen 
Personennamen bei der Integration ins Romanische die ursprünglichen 
den germanischen entlehnten Eigennamen ihren Ausgangspunkt nahm und dann 
übertragen wurde auf die den Eigennamen am nächsten stehenden Appellativa.“ 
Vgl. auch mit zahlreichen Beispielen aus der Urkundenüberlieferung der Grenz¬ 
regionen Bonnardot: „La désinence -ain“ (wie Anm. 11 ), S. I47ff. 
36 Vgl. Philipon: „Les accusatifs“ (wie Anm. 11), S. 205: „Tout le monde sait qu'en 
germanique, les noms familiers sont les seuls qui suivent la déclinaison faible, les 
noms solennels suivant toujours la déclinaison forte [...] de telle sorte que 
l’hypothèse de l’origine germanique est impuissante à rendre compte de formes 
telles que Ercambertane, Gundileubane.“ 
Philipon: „Les accusatifs“ (wie Anm. 11), S. 203: „il me paraissait trop étrange 
d’expliquer au moyen du type Berta Bertan des noms de rivières ou de lieux tels 
que Sonna Sonnan ,1a Saône’.“ Dies bestätigt auch Lebel: Principes (wie Anm. 11), 
S. 259, der zwar an der These eines germanischen Ursprungs dieses Bildungs¬ 
musters festhält, aber mit einer chronologisch verzögerten Diffusion in romani¬ 
schem Mund rechnet: „On ne saurait en tirer une conclusion sur le peuplement ger¬ 
manique de ces régions puisqu’il s’agit d’une particularité grammaticale qui a pu 
rayonner bien après les Grandes Invasions.“ 
's Philipon: „Les accusatifs“ (wie Anm. 11), S. 204: „Ce n’est guère dans le domaine 
de la flexion que se font les emprunts linguistiques.“ Zu den kontaktlinguistischen 
Voraussetzungen der Entlehnung von Flexionskategorien, die einen sehr intensiven 
Kontakt zwischen den beteiligten Sprechergruppen und aktive Zweisprachigkeit auf 
mindestens einer Seite voraussetzt, ausführlich Riehl, Claudia Maria: Schreiben, 
Text und Mehrsprachigkeit. Zur Textproduktion in mehrsprachigen Gesellschaften 
am Beispiel der deutschsprachigen Minderheiten in Südtirol und Ostbelgien, Tü¬ 
bingen 2001, S. 63. Dass eine solche Konstellation für die frühmittelalterliche 
Galloromania kaum anzunehmen ist, wird bei Pitz: „Superstratsprachen“ (wie Anm. 
1 ), begründet. 
120
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.