1885 über die Tonwarenfabrik von Friedrich Pabst, dass die dort beschäftigten
Arbeiterinnen "in kürzerer oder längerer Zeit fast mit Gewissheit dem gesundheit¬
lichen Verfallen entgegen [gingen, S. N.], da die feinen Quarz- und Tonpartikel,
welche sich in den Respirationsorganen festsetzen, schlechtlich deren Zerstö¬
rung herbeiführen. Der Verschleiß an Menschenmaterial soll nach zuverlässigen
Versicherungen hier ein sehr beträchtlicher sein, trotzdem die Persönlichkeit des
Fabrikherrn dafür bürgt, dass, wie auch die seitherigen Revisionen der Fabrik
bestätigt haben, den Vorschriften zur thunlichsten Verminderung der schweben¬
den Staubmassen genau entsprochen wird.""4
Auch in den Fabriken der Firma V&B war das Problem der Gesundheitsgefähr¬
dung durch die hohe Staubentwicklung bekannt. Im 19. Jahrhundert starben
viele Arbeiter schon in jungen Jahren an Tuberkulose. Wenn wir uns die Berei¬
che vergegenwärtigen, in denen Frauen arbeiteten, fällt auf, dass diese durchaus
gesundheitliche Risiken bargen: Das Abstauben und Polieren der frisch ge¬
brannten Teile sowie das Pressen der Mosaikplatten war mit einer hohen Staub¬
entwicklung verbunden. Die Unternehmensführung bemühte sich jedoch schon
früh, diesen Gefahren zu begegnen. Noch vor dem Arbeiterschutzgesetz von
1891 ließ sie in den Betrieben "Exhaustoren zur Staubabsaugung, Abkühlung
und Anfeuchtung der Luft" installieren.114 115 Wie effizient diese Geräte arbeiteten,
lässt sich vom heutigen Standpunkt aus kaum mehr beurteilen. Die Gefahr durch
bleihaltige Substanzen in der Glasur versuchte die Firma V&B ebenfalls durch
spezielle technische Verfahren zu minimieren. Es sieht so aus, dass zu Beginn
des 20. Jahrhunderts die Bleikrankheit aus den Betrieben verschwunden war.116
Alles in allem ist zu vermuten, dass die Arbeiterinnen infolge ihrer zeitlich
befristeten Tätigkeit in der Industrie weit weniger gesundheitlich gefährdet waren
als ihre männlichen Kollegen, bislang liegen hierzu jedoch noch keine gesicher¬
ten Daten vor.
Doch wie sah es im Falle einer Erkrankung mit der Absicherung für die Arbei¬
terinnen aus?! Hier stoßen wir auf einen weiteren Aspekt struktureller Ungleich¬
behandlung. Während in der Saarregion schon in der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts private Unterstützungsvereine nach dem Prinzip der Selbst¬
hilfe, meist unter finanzieller Beteiligung der Unternehmen im Krankheitsfall für
ihre Mitglieder aufkamen, wurden Frauen erst im Zuge der Bismarckseben Sozial¬
gesetzgebung in das langsam entstehende soziale Netz integriert: Das Kranken¬
kassengesetz von 1893 schrieb erstmals die Mitgliedspflicht aller Fabrikangehö¬
rigen vor und gewährte weiblichen Belegschaftsmitgliedern auch ein Wöch¬
nerinnengeld in Höhe des halben Arbeitslohns für die Dauer von vier bis sechs
Wochen. Die privaten Unterstützungs- und Knappschaftsvereine existierten
114 Vgl. LHAK 442 Nr. 4321, S. 520-522.
115 Brock (Anm. 66), S. 125.
116 Ebd., S. 129.
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