be und Unternehmen nahe legt. Krupp und Stumm beschränkten sich eben
hierauf nicht, wie auch viele ihrer Generationskollegen nicht. Für beide ist vor
allem bezeichnend, dass sie ihre Haltungen und Maßnahmen noch zu einer Zeit
aufrechterhalten, ja, verstärken konnten, als andere Branchen und Unternehmen
längst kooperative Formen in der Gestaltung der Unternehmenskultur und auch
der Sozialpolitik bevorzugten - Vorreiter waren etwa Abbe mit Zeiss und
Bosch.25 Bei Krupp war die so bestärkte Überzeugung dank äußeren Protekto¬
rats so stark, dass sie alle Leiter-Generationen überdauerte und gar in Spuren
noch beim sechsten Krupp, Berthold Beitz, anzutreffen ist. Wir müssen ver¬
stehen, warum das so war, und werden solches Verständnis nicht durch isolierte
Merkmalskomplexe, bezogen etwa auf eine isolierte Betrachtung einzelner
Maßnahmen, gewinnen. Spezifischer ausgedrückt, wird etwa das so weit reichen¬
de politische Handeln der schwerindustriellen Elite in der Zeit der Weimarer
Republik, als Kurt Sorge, ein Krupp-Direktor, den Reichsverband der
Deutschen Industrie leitete und später gar Gustav Krupp dessen Führung über¬
nahm, gar nicht zu verstehen sein ohne den Rückblick auf die besondere soziale
und politische, Traditionen und Macht begründende Disposition der schweren
Industrie im Kaiserreich. Mehr noch als der - politisch bewusst abstinente - alte
Krupp, tut uns dabei Stumm den Gefallen, sich nicht versteckt, sondern im
Überfluss und öffentlich, von der Tribüne des Reichstags, über sein Verständnis
von betrieblicher und staatlicher Sozialpolitik geäußert zu haben.26 Dabei wird
auch sehr klar, dass schon seit den 1850er Jahren, um so mehr seit Bismarcks
Initiativen 1881 bis 1890, betriebliche und staatliche Sozialpolitik korrelativ zu
verstehen sind, und zwar insofern bei Stumm mehr als bei Krupp. Es sei betont,
dass Kenntnis über Stumms parlamentarisches Wirken in der Fraktion der Frei¬
konservativen bis hin zur so genannten "Ära Stumm", der Zeit von seinem
Wiedereintritt in den Reichstag bis zu seinem Tod, jüngst erst durch zwei
parteigeschichtliche Bücher von Volker Stalmann und Matthias Alexander über
die Freikonservativen aufgehellt worden ist.2 Es ist bemerkenswert, dass beide
Autoren in mehrerlei Hinsicht Interpretationen bestätigen, die sich schon bei
Fritz Hellwig, Stumms Biographen, finden, und diese Biographie erschien
immerhin 1936.28
Das ganze große Spektrum der frühen betrieblichen Sozialpolitik, besser (da
quellennäher): der "Wohlfahrtseinrichtungen" bei Krupp und Stumm ist beein¬
druckend genug. Es soll hier, da vielfach behandelt, nur gestreift werden, um
25 Hierzu Tenfelde u. Ritter (Anm. 1), S. 417f.
26 Die Reichstagsreden sind durch die Edition von Tille u. Tille - Reden (Anm. 15) -
bequem, unter Abdruck der jeweils traktierten Gesetzesvorlagen und Herstellung von
Bezügen, jedoch mit zeittypisch verqueren Einleitungen der Herausgeber, verfügbar
(vgl. etwa Bd. 9, S. 3-10).
27 Volker Stalmann, Die Partei Bismarcks. Die Deutsche Reichs- und Freikonservative Partei
1866-1890. Düsseldorf 2000; Matthias Alexander, Die Freikonservative Partei 1890-1918.
Gemäßigter Konservatismus in der konstitutionellen Monarchie. Düsseldorf 2000.
28 Siehe Anm. 15.
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