Full text: Forschungsaufgabe Industriekultur

auf den von ihm alsbald errungenen, besonderen Ruf seiner Produkte, Waffen 
und Halbfertigwaren beim Qualitätsstahl, konzentriert, während Stumm wegen 
anderer Marktbedingungen gezwungen war, mit gewissem Erfindungsreichtum 
neue Absatzfelder für Eisen- und Stahlwaren zu erschließen. "Familienunterneh¬ 
mer" blieben beide, beide pflegten auch die unternehmerische Dynastiebildung, 
in der Krupp wegen des Gewerbewechsels durch Friedrich in stärkerem Maße als 
Stumm, der aus einer alten "Eisenfamilie" kam, die Aura des Industriepioniers um 
sich und seine Familie zu weben wusste. Schon angedeutet wurde, dass hin¬ 
sichtlich der politischen Betätigung der beiden Eisen- und Stahlindustriellen, 
oberflächlich besehen, krasse Unterschiede bestanden. Bei näherem Hinsehen 
zeigt sich aber, dass dies teilweise durch die unterschiedliche Generations¬ 
zugehörigkeit bedingt war. Der noch jugendliche Stumm soll die Frankfurter 
Nationalversammlung in Augenschein genommen und sich von der parlamen¬ 
tarischen Schwatzbude enttäuscht abgewandt haben; Krupp dagegen kämpfte, 
nach einem für den noch kleinen Betrieb desaströsen Vorjahr, in der Absatz¬ 
stockung der Revolutionszeit um das schiere Überleben, und er ließ wohl doch, 
wie Berdrow nachdrücklich behauptet, das letzte Silber einschmelzen, um die 
Lohnzahlung zu sichern, versammelte auch seine damals rund 70 Arbeiter, um 
ihnen mitzuteilen, dass sie in diesen aufgewühlten Tagen seine materielle Loyali¬ 
tät dann erwarten könnten, wenn sie sich aus allem heraushielten und Ruhe im 
Betrieb und vor dessen Toren hielten. Das gelang dann auch. Es war, darüber 
hinaus, ein symbolischer Zufall, dass Alfred Krupps Übernahme des Allein¬ 
besitzes am Tag des Ausbruchs der Revolution, am 24. Februar 1848, stattfand. 
Seine schon aufgebauten Geschäftsverbindungen nach Paris hat er dann rasch 
storniert, um nicht gar Maschinenzerstörungen an dort gelagerten Waren hinneh¬ 
men zu müssen.14 
Zu diesem Zeitpunkt hatte Krupp im Übrigen längst andere Erfahrungen mit dem 
Staat gemacht. Die Grundstimmung im Westen des Ruhrgebiets war seit der 
Inbesitznahme durch Preußen liberal und anti-etatistisch; im Vormärz wogte über 
Jahrzehnte der Kampf der rheinisch orientierten Unternehmer um eine Reform des 
dirigistischen Bergrechts, und darin sollte die nachrevolutionäre Zeit sehr bald 
Gesetze bringen, die geeignet waren, diese Gewerken und Unternehmer mit dem 
Preußentum zu versöhnen."11 Der Unternehmer Krupp hat sich daran nicht er¬ 
kennbar beteiligt, ihm war der Staat als Abnehmer seiner Produkte viel wichtiger, 
was, sieht man vom kommunalen Raum und dem familienüblichen Engagement 
darin ab, politische Vorsicht angeraten sein ließ. Schließlich wollte man Waffen 
und Eisenbahnmaterial verkaufen, und für das eine gab es nur den Staat, für das 
andere Adressaten, die in politischen Räumen agierten. Man mochte sich über 
19 Vorstehendes nach Berdrow, Krupp (Anm. 15), S. 62-67; Krupps Briefe (Anm. 15), 
S. 105f. 
20 Zur preußischen Bergrechtsreform siehe Klaus Tenfelde, Sozialgeschichte der Berg¬ 
arbeiterschaft an der Ruhr im 19. Jahrhundert. Bonn 21981, S. 164-190. 
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