Dabei erscheint hier wie in anderen jüngeren Beiträgen die Debatte um Begriffe
wie "Patriarchalismus" und "Paternalismus" als ein Streit um des Kaisers Bart. Ob
primärer und sekundärer Patriarchalismus oder, wie Günther Schulz es im An¬
schluss an Geck vorzieht, "Protektoralismus",12 ob man nicht besser, in Er¬
weiterung der frühneuzeitlichen Sozialdisziplinierung, von sozialer Kontrolle,
deren Wahrung und Festigung, im frühindustriellen Industriebetrieb ausgeht
und ob man überhaupt, wie Martin Fiedler nahe legt, den Patriarchalismus in
Frankreich für deutlich ausgeprägter als denjenigen im Deutschen Reich hält1'
- stets geht es um Maße und Motive betrieblicher Herrschaftssicherung. Ich
werde im Folgenden betonen, dass die betriebliche stets nur im Rahmen der
allgemeinen staatlichen Herrschaftssicherung stattzufinden vermochte, und ich
werde auf diesem Erklärungsweg die Vergleichbarkeit von Stumm und Krupp
betonen. Dabei nähere ich mich dem jüngst von Lothar Gail vorgeschlagenen
Vergleich Krupps mit Bismarck14 15 auf andere Weise an.
Zwei Biographien
Zuvor bedarf es einiger erläuternder Bemerkungen über die Persönlichkeiten und
darüber, was man denn zwischen beiden überhaupt vergleichen könnte.1" Ei¬
12 Günther Schulz, Betriebliche Sozialpolitik in Deutschland seit 1850, in: Staatliche,
städtische, betriebliche und kirchliche Sozialpolitik vom Mittelalter bis zur Gegenwart,
hrsg. von Hans Pohl. Stuttgart 1991, S. 137-176, besonders S. 144; vgl. Ludwig Heinrich
Adolph Geck, Die sozialen Arbeitsverhältnisse im Wandel der Zeit. Eine geschichtliche
Einführung in die Betriebssoziologie. Berlin 1931 [ND Darmstadt 1977]; schon Puppke
(Anm. 4), S. 272f.
13 Martin Fiedler, Betriebliche Sozialpolitik in der Zwischenkriegszeit. Wege der Inter¬
pretation und Probleme der Forschung im deutsch-französischen Vergleich, in: Geschichte
und Gesellschaft 22 (1996), S. 350-375.
14 Lothar Gail, Krupp. Der Aufstieg eines Industrieimperiums. Berlin 2000, S. 128, 188-190.
15 Ich stütze mich vornehmlich auf Alfred Krupps Briefe 1826-1887, hrsg. von Wilhelm
Berdrow. Berlin 1928, Wilhelm Berdrow, Alfred Krupp und sein Geschlecht. Die Familie
Krupp und ihr Werk von 1787-1940 nach den Quellen des Familien- und Werksarchivs, m.e.
Anhang v. Fritz Gerhard Kraft. Berlin 1943 [zuerst 1937] sowie Gail (Anm. 14) (dort ist das
sonstige Schrifttum dokumentiert) und Bilder von Krupp. Fotografie und Geschichte im
Industriezeitalter, hrsg. von Klaus Tenfelde. München 22000; ferner: Fritz Hellwig, Carl
Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg 1836-1901. Heidelberg/Saarbrücken 1936 (Exemplar
der UB der Ruhr-Universität aus der - bei Gründung der UB geschenkten - "Bibliothek
Hügel" mit Widmung von Stumms Tochter, Bertha Gräfin Sierstorpff, geh. Freiherrin von
Stumm, an Gustav und Bertha Krupp von Bohlen und Haibach, 30.3.1936); ders., Carl
Ferdinand von Stumm-Halberg, in: Saarländische Lebensbilder. Bd. 3, hrsg. von Peter
Neumann. Saarbrücken 1986, S. 153-198; Die Reden des Freiherrn C. F. v. Stumm-Halberg.
12 Bde, hrsg. von Alexander u. [ab Bd. 9] Armin Tille. Berlin 1907-1915; [A. Tille,]
Hundert Jahre Neunkircher Eisenwerk unter der Firma Gebrüder Stumm. Saarbrücken 1906;
Brakeimann (Anm. 5); Industriekultur an der Saar. Leben und Arbeit in einer Industrie¬
region 1840-1914, hrsg. von Richard van Dülmen. München 1989; Stumm in Neunkirchen.
Unternehmerherrschaft und Arbeiterleben im 19. Jahrhundert. Bilder und Skizzen aus einer
Industriegemeinde, hrsg. von Richard van Dülmen u. Joachim Jacob. St. Ingbert 1993;
weitere ältere Schriften bei Hellwig, Stumm-Hallberg, 1936, S. 570, neuere (außer Ascher)
bei Ralf Banken, Carl Ferdinand von Stumm-Halberg - ein erfolgreicher Unternehmer?, in:
grenzenlos. Historische Zeitschrift der Erwin-von-Steinbach-Stiftung 1 (1999), S. 127-141;
Hanns Klein, Das Bliesrevier unter dem Preußenadler. Zur Behörden- und Lokalgeschichte
des Bliesreviers (1815-1920). Saarbrücken 2001, zu Stumm besonders S. 66-89.
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