Full text: Forschungsaufgabe Industriekultur

Krupp und Stumm 
Über Unternehmenskultur im Deutschen Kaiserreich 
Klaus Tenfelde 
Einleitung 
Wer die Fachliteratur zur Unternehmer- und Unternehmensgeschichte des 
19. Jahrhunderts, zur Geschichte der Hütten- und Stahlindustrie und vor allem 
zur betrieblichen und auch staatlichen Sozialpolitik überschaut, wird immer 
wieder auf eine merkwürdige geistige Partnerschaft stoßen, die denn auch in die 
allgemeinere Literatur zur Sozial- und politischen Geschichte längst eingegangen 
ist, dergestalt, dass Krupp und Stumm in einem Atemzug genannt werden. Wer 
das tut, dem geht es um den sozialpolitischen Patriarchalismus oder, anders 
gewendet, um den "Herr-im-Hause-Standpunkt". Hans Ulrich Wehler etwa 
behandelt den Bau von Arbeiterwohnungen durch verschiedene Unternehmen, 
darunter Krupp: "Im Saargebiet imitierte Stumm im Stile desselben Industrie¬ 
patriarchalismus den Bau von Arbeiterhäusern, deren Bewohner in geradezu 
neofeudaler Hörigkeit leben mussten"; "hier und da", heißt es an anderer Steile, 
"versuchte der Industriepaternalismus ä la Krupp und Stumm mit seiner betriebli¬ 
chen Sozialpolitik ganz unverhohlen die Sozialdisziplinierung der Belegschaft 
zu erreichen."1 Sicher ist dabei längst auf den "[ökonomischen] Nutzen einer 
hochgradig disziplinierten Arbeiterschaft", auf die "pure Notwendigkeit" des 
Werkswohnungsbaus und anderes hingewiesen worden,2 3 aber man hat im 
Allgemeinen die außerökonomische Motivation der frühen betrieblichen Sozial¬ 
politik betont und hierfür dann die hehren Worte der Industriepioniere erläu¬ 
ternd herangezogen: Krupps angelegentliche "Worte" an seine Arbeiter, Stumms 
Reden und sonstigen Verlautbarungen. 
Auf Unterschiede zwischen Alfred Krupp und Carl Ferdinand (Frhr. von) Stumm 
(-Haiberg)' hat dabei schon Ludwig Puppke in seiner weiterhin wichtigen Arbeit 
über "Sozialpolitik und soziale Anschauungen frühindustrieller Unternehmer in 
Rheinland-Westfalen" hingewiesen,4 ohne die grundsätzliche Vergleichbarkeit 
1 Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 2: Von der "Deutschen Doppel¬ 
revolution" bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1849-1914. München 1995, S. 26, 122. 
Vgl. Gerhard A, Ritter u. Klaus Tenfelde, Arbeiter im Deutschen Kaiserreich 1870-1914. 
Bonn 1992, S. 414f. Für den Druck wurde der Vortrag leicht überarbeitet und mit Anmer¬ 
kungen versehen. 
2 Ritter u. Tenfelde (Anm. 1), S. 415. 
3 Stumm wurde 1888 geadelt und erhielt später vom Kaiser bzw\ preußischen König das 
Recht, seinem Namen denjenigen seines von ihm errichteten Stammsitzes anzufügen. 
4 Ludwig Puppke, Sozialpolitik und soziale Anschauungen frühindustrieller Unternehmer in 
Rheinland-Westfalen. Köln 1966 (= Schriften zur rheinisch-westfälischen Wirtschafts¬ 
geschichte; 13), S. 264-272. 
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