- zwar nicht in jedem Einzelfall - insgesamt der Forschung eine reichhaltige und
aussagekräftige Überlieferung zur Verfügung steht.
Ein zweiter zentraler Bestand für die Geschichte der Zwangsarbeit in den ein¬
zelnen Steinkohlenrevieren sind die Akten der jeweiligen Bezirksgruppen des
Steinkohlenbergbaus in der Wirtschaftsgruppe Bergbau, die sämtliche Berg¬
baugesellschaften bzw. Alleinbesitzer von Bergwerken zwangsvereinigten. Die
Bezirksgruppen entwickelten sich so zu regionalen Spitzenorganisationen,
deren ursprüngliche Aufgabe die Beratung und Betreuung ihrer Mitgliedsgesell¬
schaften insbesondere in Rechts- und Verkehrsfragen sowie in volks- und
sozialwirtschaftlichen Fragen war. Vor allem aber bildeten die Bezirksgruppen
zentrale Schnittstellen zwischen den Bergbauunternehmen und den zentralen
staatlichen bzw. NS-lnstanzen, übernahmen die regionale Koordination des
"Ausländereinsatzes" und beschäftigten sich in besonderen Gremien zunehmend
auch über die bloße Koordination hinaus mit dem "Ausländereinsatz". Die
Bezirksgruppe Saar, später Westmark, hatte wegen der Konzentration der Besitz¬
verhältnisse im Revier auf ein Unternehmen insofern eine besondere Struktur, als
dass sie in Personalunion mit der Unternehmensleitung der Saargruben AG
geführt wurde. Der Vorstandsvorsitzende der Saargruben AG, Dr. Franz Wächter,
war zugleich Leiter der Bezirksgruppe Saar bzw. Westmark, sein Stellvertreter im
Vorstand, der Ministerialrat Hans Joachim von Loebell, zugleich sein Vertreter
bei der Bezirksgruppe. Die laufenden Geschäfte der Bezirksgruppe wurden in
und von der Hauptverwaltung der Saargruben AG erledigt.4 Die Überlieferung
der Bezirksgruppe Saar bzw. Westmark würde daher gerade für Fragen des
"Ausländereinsatzes" die fehlende Unternehmensüberlieferung vermutlich in
manchen Teilen ersetzen helfen. Die Akten der Bezirksgruppe Westmark wurden
aber leider beim Versuch ihrer Auslagerung in die Pfalz im März 1945 durch
einen Jagdbomberangriff südlich von Kaiserslautern vollständig vernichtet.5
Dagegen liegt für die Bezirksgruppe Ruhr im Bochumer Bergbau-Archiv eine
dichte und aussagekräftige Überlieferung vor.
der ehemaligen DDR gebräuchlichen Regelung folgend, an ein staatliches Archiv, das
Hauptstaatsarchiv Dresden, abgaben. Lediglich eine der vier wichtigeren sächsischen
Unternehmensüberlieferungen weist die im Bereich Ausländerbeschäftigung und Zwangs¬
arbeit "typischen” Lücken auf. Dabei handelt es sich ausgerechnet um den Bestand desjeni¬
gen Unternehmens, dessen Akten erst nach der Wende den Weg ins Sächsische Bergarchiv
in Freiberg fanden. Vgl. dazu jetzt Stephan Posta, Zwangsarbeit in der Peripherie des
Steinkohlenbergbaus. Der "Ausländer-Einsatz" im sächsischen Revier während des Zweiten
Weltkrieges. MS Bochum 2002. Dagegen entspricht die Quellenlage für das Aachener
Wurmrevier, das betrifft vor allem den Eschweiler Bergwerksverein, weit gehend derjeni¬
gen für das Saarrevier. Vgl. dazu eine vom Kreis Aachen in Auftrag gegebene und unter
www.kreis-aachen.de abrufbare Studie: Thomas Müller, Zwangsarbeit im Kreis Aachen. MS
Aachen 2002.
4 Zur organisatorischen und personellen Struktur der Bezirksgruppe Saar vgl. die Signatur
15/1068: Schriftwechsel der Wirtschaftsgruppe Bergbau mit den Bezirksgruppen Ruhr,
Aachen, Saar, Oberschlesien, 1935-1945 im Bergbau-Archiv Bochum (BBA).
5 Vgl. den Bericht des Geschäftsführers der Bezirksgruppe, Bergassessor Hussmann, an die
Wirtschaftsgruppe Bergbau vom 29.3.1945 (BBA 15/1068).
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