Zwangsarbeit und Ausländerbeschäftigung im Steinkohlenbergbau an
Ruhr und Saar während des Zweiten Weltkrieges
Hans-Christoph Seidel
Einleitung: Quellen und Fragestellungen
Für eine Untersuchung zur Ausländerbeschäftigung und Zwangsarbeit im
Steinkohlenbergbau während des Zweiten Weltkrieges, die auf der Ebene der
einzelnen Bergbaureviere argumentiert, sind drei Überlieferungen unterschiedli¬
cher Provenienz von besonderer Bedeutung:
Erstens sind dies die Überlieferungen der Unternehmen und Bergwerksver¬
waltungen in dem jeweiligen Bergbaurevier. Die 18 während des Zweiten Welt¬
krieges an der Saar* 1 * fördernden Steinkohlenbergwerke und Gruben befanden
sich sämtlich im Besitz eines Unternehmens, der staatlichen Saargruben AG.:
Leider fehlt eine einschlägige Überlieferung fast völlig. Das im Landesarchiv
Saarbrücken befindliche Depositum der Saargruben AG enthält fast ausschlie߬
lich Material zur Nachkriegszeit, und auch im Bereich des Nachfolgeuntemeh-
mens, der DSK Saar, befinden sich nach derzeitigem Kenntnisstand lediglich
eine Reihe von Personal- und Lohnkarten von Arbeitern spanischer und ukrai¬
nischer Herkunft.
Auch die Unternehmensüberlieferungen des Ruhrbergbaus weisen für den
Zeitraum des Zweiten Weltkrieges erhebliche Lücken auf. Doch sorgt schon
allein die große Zahl der Steinkohlenbergbau treibenden Unternehmen, bei
Kriegsbeginn insgesamt 37 Montan- und Bergbaukonzerne oder Einzelunter¬
nehmen, die insgesamt 156 Schachtanlagen betrieben,3 dafür, dass dennoch
‘Die Arbeit zu diesem Artikel wurde durch von der Stiftung Bibliothek des Ruhrgebiets,
Bochum, und der RAG Aktiengesellschaft, Essen, bereit gestellte finanzielle Mittel unter¬
stützt. Der Vortragsstil ist im Folgenden zum Teil beibehalten worden.
1 Unter dem Saarbergbau werden in diesem Artikel die innerhalb der Grenzen des heutigen
Saarlandes gelegenen Steinkohlenbergwerke verstanden. Nicht berücksichtigt sind die
während des Zweiten Weltkrieges innerhalb des Oberbergamtsbezirkes Saarbrücken gelege¬
nen lothringischen Steinkohlenbergwerke.
: Der Saargruben AG war außerdem die kommissarische Verwaltung von vier der sechs
lothringischen Steinkohlenbergwerke übertragen. Die anderen beiden Zechen standen unter
kommissarischer Verwaltung der Reichswerke Hermann Göring. Vgl. die Aufstellung über
Gruben und Bergamtsbezirke im Bereich des Oberbergamtes Saarbrücken mit dem Stand
vom 15.2.1943 (LAS OBA 086).
3 Vgl. zur Besitz- und Unternehmensstruktur des Ruhrbergbaus die bis 1943 regelmäßig
erscheinenden und vom Verein für die bergbaulichen Interessen in Essen herausgegebenen
Jahrbücher für den Ruhrkohlenbezirk. In Parenthese lässt sich hier noch ergänzen, dass die
vermutlich beste und vollständigste Überlieferungssituation auf der Untemehmensebene das
kleine sächsische Steinkohlenrevier bei Zwickau und Lugau-Ölsnitz bietet. Dies hängt auch
damit zusammen, dass die sächsischen Bergbauunternehmen ihr Altaktenmaterial, der in