Die Leiter der preußischen Staatsgruben an der Saar
Insgesamt gab es zwischen 1816 und 1919 15 Leiter des Bergamtes bzw. der
Bergwerksdirektion, die allesamt auch die staatliche Bergbeamtenausbildung
durchlaufen hatten.69
Diese Ausbildung dauerte mit acht bis zehn Jahren außerordentlich lange und
umfasste eine theoretische und praktische Ausbildung in Natur- und Technik¬
wissenschaften sowie Rechts-, Verwaltungs- und Wirtschaftswissenschaften, was
letztlich eine Allround-Kompetenz vermittelte. Wie Bernd Faulenbach für die
Bergassessoren an der Ruhr herausgearbeitet hat, formte der preußische Staat
durch diese Ausbildung eine schwerindustrielle Führungsgruppe mit hoher
fachlich-technischer Qualifikation, autoritärem Habitus und sozialpolitischem
Konservatismus.™ Auch an der Saar lassen sich viele dieser Eigenschaften für die
Zeit des Kaiserreichs bei den leitenden Bergbeamten wiederfinden. So gibt es
zahlreiche Beispiele - etwa für die große Streikzeit nach 1889 - in denen die
leitenden Bergbeamten der Belegschaft mit einem obrigkeitsstaatlichen, bürokra¬
tischen Herrschaftsbewusstsein sowie sturem, schroffem Auftreten und selbst¬
bewusstem Uberlegenheitsgefühl gegenübertraten. Zu diesen Eigenschaften der
Bergbeamten gesellten sich eine militärfreundliche Haltung, ein konservativ
ausgeprägter Sozialpatriarchalismus, eine besondere Staatsnähe und die Vor¬
stellung, neben dem technischen und wirtschaftlichen Wandel auch den sozia¬
len steuern zu können. 1 Eine besondere Ausprägung bildeten die Saarberg¬
beamten allerdings nicht; dies verhinderte schon die ständige Fluktuation
aufgrund der ständigen Versetzungen in andere preußische Bergbaureviere.
Allerdings ließen sich die Vorstellungen der preußischen Bergmannschaft an
der Saar wegen der überragenden Marktstellung der preußischen Staatsgruben
besser als an der Ruhr und in Oberschlesien durchsetzen, wo man stärker mit
den privaten Unternehmen um Arbeitskräfte konkurrierte. Dieser gesellschaft¬
liche, politische und auch wirtschaftspolitische Konservatismus der Bergbeam¬
ten setzte sich an der Saar allerdings erst nach 1870 eindeutig durch. Vorher
besaßen auch liberale Ideen bei den Bergbeamten an der Saar größere Verbrei¬
tung, wenngleich ein orthododoxer Wirtschaftsliberalismus dort stets abgelehnt
wurde.
69 Abgesehen von der Zeit vor 1840 waren ausschließlich vom preußischen Staat selbst
ausgebildete Bergbeamte in der Untemehmenstührung tätig.
70 Bernd Faulenbach, Die Preußischen Bergassessoren im Ruhrbergbau. Unternehmermen¬
talität zwischen Obrigkeitsstaat und Privatindustrie, in: Mentalitäten und Lebensverhält¬
nisse: Beispiele aus der Sozialgeschichte der Neuzeit. Rudolf Vierhaus zum 60. Geburtstag,
hrsg. von Mitarbeitern u. Schülern. Göttingen 1982, S. 225-242. Zur Ausbildung siehe auch:
H. Zix, Die Ausbildung der höheren Staatsbergbeamten in Preußen 1778-1897, in: Zeit¬
schrift für Bergwerk-, Hütten- und Salinenwesen 59 (1911), S. 1-61.
71 Hans-Werner Hahn, "Die preußische Art, ein Land zu verwalten...". Die Beamten, in:
Industriekultur an der Saar; Leben und Arbeit in einer Industrieregion 1840-1914, hrsg. von
Richard von Dülmen. München 1989, S. 122-131.
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