andererseits viele Spezifika. Im Saar-Ruhr-Vergleich von Stumm und Krupp
erscheint die Region kaum als zentrale Kategorie. Bei dem Zwangsarbeitereinsatz
(Hans-Christoph Seidel) hat sie dagegen erheblich höheres Gewicht. In der
Analyse der Rolle des Staates ist sie im Bergbau zentral, wenngleich Ralf Ban¬
ken dessen Bedeutung gegenüber betriebswirtschaftlichen Führungsprinzipien
auch für die Saar relativiert. Hans-Walter Herrmann zeigt für den Saar-Lor-Lux-
Raum die Vielschichtigkeit von Innovationspotentialen und Innovationsver¬
spätungen. Ergiebigkeit und heuristische Grenzen eines solchen Vergleichs
zwischen Industrieregionen werden damit in unterschiedlichen Nuancen deut¬
lich.
Vielfältige Ergebnisse bringen die Beiträge für eine weitere Ausdifferenzierung
der sozialgeschichtlichen Analyse der von der Industriekultur geprägten Grup¬
pen und Schichten. Im Arbeitersport sind, wie André Gounod zeigt, ebenso
spezifische Milieubildungstendenzen innerhalb der .Arbeiterschaft festzustellen
wie eine durch den Sport selbst bedingte Unschärfe der Abgrenzung zur bürger¬
lichen Kultur in einer von ihr bestimmten Gesellschaft. In Frankreich war dies
durch die unscharfen Trennlinien zwischen Sozialismus und Republikanismus
und deren gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Katholizismus schon früh
bedingt, während der Arbeitersport in Deutschland nach 1870 zunächst als
gegenkulturelle Bewegung gegen Adel und Bürgertum ansetzte. Soziokulturelle
Abgrenzungen gewinnen noch weiter an Komplexität im Vergleich der lange in
extremer sozialer Defensivposition verharrenden französischen mit der relativ
eher zu Integrationskonzepten tendierenden deutschen Bourgeoisie. Verbürgerh-
chungstendenzen im Arbeitermilîeu konstatierte Susanne Nimmesgern in der
Diskussion aus der Perspektive der Situation der Arbeiterfrauen. Die regions¬
spezifische Analyse der Gruppen der leitenden Angestellten und höheren Beam¬
ten (Ralf Banken) erscheint als methodischer Ansatz besonders fruchtbar - die
sozialräumliche urbane Gliederung, wie Laurent Commaille sie für die auch
innerhalb der Angestellten und der Arbeiterschaft ausgestalteten Hierarchien in
den lothringischen Gartenstädten anspricht, spiegelt die Binnendifferenzierun¬
gen in den einzelnen Schichten augenfällig wider.
Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden großen Untemeh-
merpersönlichkeiten Alfred Krupp und Carl Ferdinand v. Stumm-Halberg stellt
Klaus Tenfelde in ihren politischen und allgemein sozialgeschichtlichen Zu¬
sammenhang. Die ökonomische, gesellschaftliche und politische Bedeutung
verwandtschaftlicher Netzwerke innerhalb der Unternehmerschaft veranschauli¬
chen die Familien Krupp, Stumm und Böcking beispielhaft. Tenfelde betont
denn auch die begrenzte Aussagekraft rem betriebswirtschaftlicher Analyse-
Ansätze. Er arbeitet im interregionalen Vergleich, wie Laurent Commaille für den
lothringischen Arbeiterwohnungsbau, das Spannungsverhältnis zwischen
Herrschaftsinteressen, alten - etwa knappschaftlichen - Traditionen, betriebswirt¬
schaftlicher Kalkulation und paternalistischer Verantwortung für die Belegschaft
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