gen.34 Ohne auf die bisher noch unerforschte Gründungsgeschichte der ARBED
näher eingehen zu können, soll gezeigt werden, wie einer der Hauptbefürworter
des Fusionsplanes, der Düdelinger Hüttendirektor Emile Mayrisch, die produk¬
tionstechnische Gichtgasfrage geschickt einsetzte, um den Zusammenschluss
von Burbach-Eich-Düdelingen gegen interne Widerstände voranzutreiben und
schließlich auch durchzusetzen. Es sei hier nur soviel gesagt, dass entgegen
anderweitiger Annahmen die ARBED-Fusion im Jahr 1911 keine Selbstver¬
ständlichkeit war, obwohl alle drei Unternehmen auf vielen Ebenen und vor
allem kapitalmäßig eng miteinander verflochten waren. 1905 war ein erster
Fusionsversuch gescheitert, beim erneuten Anlauf 1910 ging der Widerstand
gegen Fusionspläne in der Hauptsache vom Management der Burbacher Hütte
an der Saar unter Führung von Generaldirektor Edmund Weisdorff sowie vom
damaligen Chef des Hauses Metz in Luxemburg, Norbert Le Gallais, aus.
Nun besaßen die beiden Unternehmen Metz & Cie und Burbacher Hütte zu
gleichen Teilen die Hütte Esch-Schifflingen, die sie einst 1869, u.a. zwecks
Roheisenversorgung der Burbacher Hütte, im luxemburgischen Minette-Revier
gegründet hatten. Im Gegensatz zu anderen Saarhütten, die sich in den 1890er
Jahren für die Errichtung eigener Hochofenwerke im lothringischen Minetterevier
entschieden (siehe dazu im Folgenden), war die Versorgung von Burbach mit
Schifflinger Roheisen seit dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts stark
zurückgegangen. Überdies war die Hütte Schifflingen - es handelte sich um eine
reine Hochofenanlage mit vier Hochöfen - produktionstechnisch zurückgeblie¬
ben, der Großteil der Hochofengichtgase verpuffte ungenutzt in die Atmosphäre.
Da die Hütte gewissermaßen ihrer ursprünglichen Produktionsziele - Versorgung
einer Saarhütte mit Minette-Roheisen und einträglicher Absatz von Roheisen auf
dem freien Markt - verlustig gegangen war, stellte sich nach der Jahrhundertwen¬
de die Frage der zukünftigen Ausrichtung des Hüttenstandortes Esch-Schiff-
lingen immer dringlicher. In der Tat wurde auch die Betreibung einer reinen
Hochofenanlage von Tag zu Tag unwirtschaftlicher: mit dem ausschließlichen
Verkauf von Roheisen ließ sich kaum noch gutes Geld verdienen. Reine Hoch¬
ofenwerke wie Schifflingen bekamen die unheilvolle Einwirkung der fortschrei¬
tenden Energieverbundwirtschaft auf den steten Preisverfall des Roheisens
schmerzlich zu spüren. Wurden in früheren Zeiten bei schwacher Konjunktur
Hochöfen stillgelegt, so gingen die integrierten Hütten nunmehr dazu über, die
Hochöfen unter Feuer zu halten, weil sie auf die Hochofengase für die Energie¬
versorgung der Gesamtanlage angewiesen waren. Gewissermaßen war die Hoch¬
ofengasfrage wichtiger geworden als der Absatz des hergestellten Roheisens. Es
ist daher nicht verwunderlich, dass die Niedrigstpreise für Roheisen vor allem
die reinen Hochofenwerke empfindlich trafen.
34 ARBED. Un demi-siècle d' histoire industrielle 1911-1964. Luxembourg 1964, S. 31-38.
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