herausstellte, dass das in Differdingen erprobte Verfahren zur Gasreinigung bei
Anwendung von Ventilatoren mit Wasserspülung unter ein längst in Vergessen¬
heit geratenes und nunmehr jeder Verpflichtung bares Patent des Berliner Inge¬
nieurs Franz Windhausen aus dem Jahr 1883 fiel.31 32 ln der Folgezeit wurden
noch verschiedene andere Gasreiniger erfunden, die teils auf demselben Prinzip
der nassen Reinigung (siehe u a. das von Hüttendirektor Emile Bian in Dommel¬
dingen entwickelte Kühlungsverfahren), teils auf Filtration (siehe das trockene
Gasreinigungsverfahren von Fritz Müller, Direktor der Haiberger Hütte bei
Saarbrücken) beruhten.
Trotz anfänglicher Schwierigkeiten gelang es den leitenden Ingenieuren der
Differdinger Hütte, im Jahr 1901 die erste kontinuierlich arbeitende Hochofen¬
gaszentrale mit einer Leistungsstärke von 5400 PS in Betrieb zu nehmen. Als
wesentliche Fortschritte hielt damals der zum Gutachter bestellte Friedrich Sprin-
gorum die Tatsache fest, dass, abgesehen von den Dampfaufzügen und einer
Pumpe, die Hochofenanlage keinen Dampf mehr zum eigenen Betrieb verbrau¬
chte, und dass die überschüssige Dampferzeugung der Hochöfen in der Größen¬
ordnung von etwa 1200 qm Heizfläche an das Stahl- und Walzwerk abgegeben
werden konnte. "Dieses Resultat dürfte bis heute von keinem anderen Werk
erreicht sein. (...) Die Differdinger Gaskraftanlage stellt zweifellos für das Werk
einen sehr bedeutenden Vorteil dar", vermerkte Springorum in seinem auf den
31. Mai 1901 datierten Bericht. ’2 Des Weiteren wies der Gutachter auf die Verrin¬
gerung der Gesamtkonvertierungskosten hin, bedingt durch den Ersatz der
Kesselkohlen durch Gas in den Walzwerken. Springorum zufolge stellte dies
den Beweis für die große Wichtigkeit der direkten Verwertung von Hochofenga¬
sen zur Erzeugung elektrischer Antriebskraft für Walzstraßen und Kleinmotoren
dar.
Energieverbundwirtschaft und Unternehniensstrategien im Wirtschaftsraum
Saar-Lothringen-Luxemburg
Welche betriebswirtschaftliche Bedeutung ist der vollständigen Nutzung der
Hochofengichtgase in Kraftmaschinen beizumessen? Lassen sich diesbezüglich
Einwirkungen auf die Unternehniensstrategien in der Eisen- und Stahlindustrie
an der Saar, in Lothringen und in Luxemburg feststellen? In der Folge soll
anhand einiger ausgewählter Beispiele untersucht werden, inwiefern eine tech¬
nische Innovation wie diejenige der Einführung von Hochofengichtgasmotoren
auf den Eisenhütten, die letztendlich die Realisierung der Energieverbundwirt¬
schaft ermöglichte, auf die Herausbildung von Konzernstrukturen sowie die
31 Fritz W. Lürmann, Die Reinigung der Hochofengase, in: Stahl und Eisen 21 (1901),
S. 620.
32 Vgl. ebd.
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