Revolutionierung der Kraftwirtschaft
und grenzüberschreitende Unternehmensstrategien
Die Einführung der Großgasmaschine in der Eisen-
und Stahlindustrie Saar-Lothringen-Luxemburgs
zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Jacques Maas
Die Großgasmaschine gilt unbestritten als ein herausragendes Symbol des
herkulischen Zeitalters der Schwerindustrie des 20. Jahrhunderts. Die gewaltigen
Schwungräder der in den Jahren 1905 bis 1914 errichteten Gichtgas-Gebläse¬
maschinen der Völklinger Hütte stellen auch für heutige Besucher der Gebläse¬
halle ein beeindruckendes Zeugnis der gigantischen Kraftmaschinen des frühen
20. Jahrhunderts dar.
Zwei produktionstechnische Innovationen prägen in der Tat die Entwicklung
der Eisen- und Stahlindustrie in der Zeitspanne zwischen Jahrhundertwende und
Ausbruch des Ersten Weltkriegs: einmal die Erfindung des Roheisenmischers,
sodann die Erprobung der Hochofengasmaschine. Durch die erste Erfindung
wurde die Trennung von Hochofenwerk und Stahlwerk unwirtschaftlich, die seit
dem Ende des 19. Jahrhunderts steigenden Preise für Brennmaterialien hatten
das Bestreben der Eisenhüttenleute gestärkt, das erzeugte Roheisen in flüssigem
Zustand sofort den Stahlkonvertern zuzuführen. In der Folge waren die Hütten¬
betreiber bestrebt, Flusseisen, Schweißeisen- und Walzwerke genauso wie die
Eisengießereien mit den Hochöfen zu einer einzigen Betriebseinheit zusammen¬
zuschließen. Dieses rationellere "Arbeiten in einer Hitze" wurde jedoch erst
möglich von dem Moment an, als man nicht nur die Nutzung der Koksofengase,
sondern in erster Linie diejenige der Hochofengichtgase für den Betrieb der
Hochofengebläsemaschinen und allgemein als Kraftquelle für fast alle Maschinen
des Hüttenbetriebs, so beispielsweise zum Antrieb der Walzenstraßen, meisterte.1
1 Vgl, A. Ledebur, Handbuch der Eisenhüttenkunde. Bd. 2. Leipzig 1906, S. 334; Wilfried
Feldenkirchen, Die Eisen- und Stahlindustrie des Ruhrgebiets 1879-1914. Wiesbaden 1982
(= Zeitschrift für Unternehmensgeschichte. Beiheft; 20), S. 261; Christian Kleinschmidt,
Rationalisierung als Unternehmensstrategie. Die Eisen-und Stahlindustrie des Ruhrgebiets
zwischen Jahrhundertwende und Weltwirtschaftskrise. Essen 1993 (= Bochumer Schriften zur
Unternehmens- und Industriegeschichte; 2), S. 47-55.
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