wir [...] nicht die Kultur der Industrie im Sinne der Industriearchäologie, sondern
die Kultur und Lebensformen, die durch die Industrialisierung direkt oder
indirekt hervorgebracht wurden oder entscheidend von ihr geprägt sind."3
Solchen Konzepten folgte etwa die Ausstellung "GrenzenLos" des Historischen
Museums Saar 1998, die den Blick in den Saar-Lor-Lux-Raum öffnete.4 Lebens¬
welten in diesem Sinne bilden eine der Leitfragestellungen auch des vorliegen¬
den Bandes.
Die Eigenheiten des Saarlandes werden bei einer geografischen, chronologi¬
schen und methodischen Beschränkung nur begrenzt deutlich. An Konturen
gewinnt das Bild wissenschaftlich und politisch dann, wenn das 20. Jahr¬
hundert bis zur Gegenwart stärker in den Blick rückt und wenn die Saarregion
in Bezug zu ihrem Umfeld gesetzt wird:
— im Vergleich mit anderen deutschen Industrieregionen, unter denen vor allem
die Ruhr ungleich günstigere Standortbedingungen in Rohstofflage und
Kommunikationsstrukturen aufwies als die Saar;
— im internationalen Vergleich mit anderen Industrieregionen, besonders den
benachbarten;
— schließlich und vor allem aber in der Analyse der grenzüberschreitenden
Vernetzungen der Saarregion mit Lothringen und Luxemburg, mit all den
Chancen und Belastungen, welche die Grenzlage in den letzten beiden Jahr¬
hunderten mit sich brachte und weiterhin bringt.
Die Vemetzungsforschung ist von dem reinen Vergleich als eine methodisch
eigenständige Ebene zu unterscheiden, obwohl die Berührungspunkte zahlreich
sind. Nicht nur in der wissenschaftlichen, sondern auch in der politischen
Diskussion lassen sich die Leistungen der Saarregion um so klarer herausstellen,
wenn die über das Land hinausgreifenden Vernetzungen einen Schwerpunkt der
Analysen bilden.
Die Tagung “Forschungsaufgabe Industriekultur”, auf der die Beiträge dieses
Bandes beruhen, setzte sich zum Ziel, auf ausgewählten Themenfeldern eine
interdisziplinäre Zwischenbilanz der Forschung zu ziehen,5 aus neuen und
3 Richard van Dülmen, Einleitung, in: Industriekultur an der Saar. Leben und Arbeit in
einer Industrieregion 1840-1914, hrsg. von Richard van Dülmen. München 1989, S.11-13,
hier S. 11.
4 GrenzenLos. Lebenswelten in der deutsch-französischen Region an Saar und Mosel seit
1840. Katalog zur Ausstellung, hrsg. vom Histonschen Museum Saar. Saarbrücken 1998.
5 Der Forschungsstand wird in den einzelnen Beiträgen dieses Bandes dargestellt. Zur
grenzüberschreitend orientierten Forschung zum Saar-Lor-Lux-Raum vgl. im Überblick
Hans-Walter Herrmann, Koopenerende landesgeschichtliche Forschung im internationalen
Schnittpunkt: Saarland-Lothringen-Luxemburg, in: Landesgeschichte in Deutschland.
Bestandsaufnahme - Analyse - Perspektiven, hrsg. von Werner Buchholz. Paderborn 1998, S.
383-397. Unter den jüngeren Publikationen des Centre de Recherche Histoire et Civilisation
de l'Université de Metz s. in diesem Zusammenhang: L'Histoire moderne et contemporaine
en Sarre-Lorraine-Luxembourg. Actes du Colloque de Metz Novembre 1998, hrsg. von
Alfred Wahl. Metz 1990 (= Bd. 18); Frontières (?) [sic] en Europe occidentale et médiane
de l'Antiquité à l'an 2000. Actes du Colloque de l'Association Interuniversitaire de l'Est tenu
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