und differenzierten Kulturraum zu begreifen, beinhaltet etwas Grundlegendes.
Die Grenzregion vereinigt Trennendes und Verbindendes zugleich.
Am Beispiel der hier vorgestellten unierten Kirchen wurde die starke
Einflußnahme der politischen Macht in der Gren?region deutlich, wobei es
darum ging, das jeweilige Gebiet zu stabilisieren und fest in das Gesamtreich zu
integrieren. Im Widerspruch zum universalistischen Anspruch der römisch-ka¬
tholischen Kirche wurden die unierten Kirchen zu Institutionen regionaler
Größe. Sie ließen sich in die aufkommenden Nationalbewegungen nicht nur
einspannen, sondern formten ein eigenes, für den „Grenzsaum des Abend¬
landes“ spezifisches konfessionelles Nationsbewußtsein. Auf dem Boden der
unierten Kirche, die sich niemals von der Orthodoxie verabschiedet und sich
auch niemals gänzlich an Rom angeschlossen hat, fand der Kontakt zwischen
östlich-orthodoxer und westlich-katholischer Geisteswelt und Geisteshaltung
statt.52
In Siebenbürgen und noch ausgeprägter in Galizien konnte sich eine nationale
Bewegung entfalten. Denn anders als beispielsweise im Zarenreich oder auch in
der ungarischen Reichshälfte nach 1867 war in der Habsburger Monarchie ein
System vielfacher Loyalitäten möglich. Die Bewohner konnten Ruthenen oder
Rumänen und zugleich loyale Bürger der Monarchie sein.53
Allein in Galizien kam jedoch der unierten Geistlichkeit über alle Stadien des
Nationsbildungsprozesses eine herausragende Rolle zu. In Siebenbürgen trat der
unierte Klerus allmählich hinter die weltlichen Intellektuellen und vor allem
hinter die orthodoxe Geistlichkeit zurück.
In der Karpato-Ukraine konnte die unierte Geistlichkeit sich nicht gegen die
weltlichen Intellektuellen sowie die ungarische katholische Kirche durchset¬
zen.54
In Galizien formte die unierte Kirche ein ruthenisches und später ukrainisches
Nationalbewußtsein im Widerstreit zwischen dem polnischen und russischen
heraus. Die eigene, im Entstehen begriffene Kultur mußte stets verteidigt wer¬
den. In Siebenbürgen konnte die unierte Kirche bereits auf Vorformen eines
gemeinsamen ethnischen rumänischen Bewußtseins zurückgreifen. Die hier
entstandene Kultur wurde zu einem zentralen Bestandteil des später auch bei
52 Himka (Anm. 34, S. 438) charakterisierte einen Gläubigen der Unierten Kirche wie folgt:
„The Greek Catholic had an Orthodox face, Roman Catholic citizenship and [...] an
enlightened Austrian soul.“ Vgl. auch Rumpler (Anm. 23), S. 315-316.
53 Magocsi, History of Ukraine (Anm. 41), S. 456.
54 Hierzu auch die Gedankenanstöße von Victor Hugo Lane in der Diskussionsrunde „Die
Position der Ukraine in der europäischen Geschichte - Diskussion in HabsburgNet“, Text
5.1 v. 27. Februar 1998.
313