das DFG eher als „Sprachschule“ empfunden, welche entsprechend hohe
Berufschancen bietet. Alle anderen Motive fallen dagegen ab - besonders auf¬
fällig für unsere Fragestellung ist, daß das Interesse an „Sprache und Kultur des
Nachbarlandes“ mit 35% der Nennungen nur eine relativ geringe Rolle spielt!
Die noch immer unzureichende Berührung beider Kulturen war Anlaß, daß man
zwei Neuerungen einführte. Seit kurzem können deutsche Schüler jeweils eine
oder mehrere Wochen in den Familien ihrer französischen Kameraden verbrin¬
gen und umgekehrt. Außerdem wurde 1997 ein neues Unterrichtsmodell einge¬
führt: Neben den beiden angestammten Abteilungen existiert seitdem pro
Jahrgang eine bikulturelle Klasse, und zwar beginnend schon mit dem ersten
Schuljahr. Sie setzt sich im Prinzip aus Kindern binationaler und zweisprachi¬
ger Familien zusammen. Der Unterricht wird weitestgehend abwechselnd von
deutschen und französischen Lehrern in ihrer Sprache gehalten. Man geht da¬
von aus, daß hier innerhalb von vier Jahren eine - soweit möglich - volle
Zweisprachigkeit erreicht wird, was auch Kapazitäten frei macht für eine
Vertiefung der Kenntnisse der beiden Kulturen.
An diesem Beispiel zeigen sich einerseits die Verdienste um die Vertiefung der
Beziehungen. Deutlich wird dabei jedoch, daß das bilinguale Unterrichts¬
programm leider nur eine winzige Minderheit erreicht und fördert, in der das
Interesse an beiden Kulturen ohnehin schon durch das Elternhaus geweckt wird.
Auf der anderen Seite steht die Realität der breiten Mehrheit: Im Saarland
wählen immer weniger Schüler Französisch im Leistungskurs, und de facto ist
es längst nicht mehr erste Fremdsprache an den Schulen. Auch hier könnte das
übermächtige Englisch das Französische bald aus Kindergärten und Grund¬
schulen verdrängen. Die des öfteren zu hörende Forderung, eine deutsch¬
französische Zweisprachigkeit sei nur in einer Dmsprachigkeit mit Englisch zu
erreichen, kann sich ebenfalls nur an eine Minderheit richten. Leider machte
der in der Saarbrücker Zeitung (12.02.1999) zitierte scheidende französische
Botschafter Scheer keinen Witz, wenn er befürchtet, daß Franzosen und
Deutsche demnächst englisch miteinander sprechen müssen.6
Sind - allen Sonntagsreden und Visionen zum Trotz - der Rückgang der Zwei¬
sprachigkeit im lothringischen Grenzraum und der Bedeutungsverlust des Fran¬
zösischen auf unserer Seite bereits Ausdruck einer zunehmenden kulturellen
Entfremdung? In der Tat haben die bisher angesprochenen Beziehungen vor al¬
lem wirtschaftliche Motive: höhere Löhne diesseits der Grenze, billigere Immo¬
bilien sowie niedrigere Arbeitskosten und Steuern jenseits, günstigere Preise im
Einzelhandel, je nach Ware, beiderseits. Von den institutionalisierten Kontakten
zwischen dem Saarland und Lothringen, die in der Datenbank der Stiftung für
So haben bereits 1999 Geographiestudenten der Universität des Saarlandes mehrheitlich
dafür gestimmt, daß ein Gastprofessor der Sorbonne seine Vorlesungen auf Englisch
halte.
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