Schule, aber auch für das Militär und den amtlichen Verkehr, Die Ein¬
sprachigkeit D oder Zweisprachigkeit mit Begünstigung des Deutschen strebte
des weiteren die evangelische Kirche Brandenburgs im 19. und 20. Jahrhundert
an. Im alltäglichen Umgang in den gemischtsprachigen Gebieten herrscht
ebenfalls Zweisprachigkeit mit Begünstigung des Deutschen dergestalt, daß
Einsprachige D sich das Sorbische nicht anzueignen brauchen. Einsprachigkeit
S gibt es im gesamten Sprachgebiet nur noch in der Familie, im obersorbischen
katholischen Gebiet außerdem in der Kirche und in alltäglichen Gesprächs¬
situationen, Es ist aber ein allgemeiner Rückgang dieser Kommunikationsform
zu beobachten.
3.3. Die sorbische Sprachinsel ist, um im Bild zu bleiben, also schon zur Hälfte
überflutet, da es ein rein sorbisches Gebiet gar nicht mehr gibt. Dies gilt
natürlich auch für die Personen in diesem Gebiet. Insofern stellt sich die Frage
der Grenzen nicht nur für das Gebiet selbst, sondern auch für die Bevölkerung:
beide tragen die Grenzen gleichsam in sich. Damit ist auch die Frage der
Vermischung akut, da Deutsch und Sorbisch sich im alltäglichen Umgang
ständig begegnen und sie, zumindest bei den Zweisprachigen, bei jedem
einzelnen gleichzeitig neben- und miteinander Vorkommen. Die Grenzen, wenn
es denn Grenzen überhaupt noch gibt, gehen mitten durch Personen hindurch.
Auch deshalb ist es sinnvoll, hier von einem Grenzraum ohne Grenzen zu
sprechen.
4. Nachdem eingangs (0.4.) schon allgemein begründet wurde, warum der
Bereich der Sprache bzw. der sprachlichen ausgedrückten Kultur für die Be¬
stimmung von Grenzgebieten günstig ist, läßt sich nun für das Sorbische
zeigen, daß die sprachliche Seite im allgemeinen als das entscheidende Merk¬
mal gesehen wurde und wird.35
4.1. Es ist davon auszugehen, daß das „Sorbisch-Sein“ früher durch ein Bündel
von Eigenschaften und Ausdrucksformen zum Ausdruck kam, das in seiner
Gesamtheit für die meisten Angehörigen der Volksgruppe charakteristisch war
und von ihnen auch als typisch angesehen wurde. Dazu gehörte zunächst die
Gemeinsamkeit in der Sprache. Selbst wenn entfernte Dialekte sich von
einander stark unterschieden, wurden sie gegenüber dem Deutschen doch als
zusammengehörig gesehen. Ähnlich wichtig war die ökonomisch/soziale Ge¬
meinsamkeit. Sorbisch-Sein bedeutete in der Regel, auf dem Dorf zu wohnen
und in der Landwirtschaft, ggf. im Handwerk tätig zu sein. Ein weiterer
verbindender Zug war das Brauchtum (Emtebräuche, Traditionen im Umkreis
kirchlicher Feste, Spinte usw.). In diesem Umfeld spielten Musik und Tanz
35 Forschung zu diesem Problemkreis wird für den sorbischen Bereich erst seit der Wende
stärker betrieben bzw. werden erst seither Ergebnisse veröffentlicht; vgl. Elle 1992,
Satava 1999, Solcina 1999.
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