Nun gibt es auf deutscher Seite ebenfalls Ansätze, die Zweisprachigkeit und
damit die kulturelle Annäherung zu fördern. Eine herausragende Rolle spielt
dabei das Deutsch-Französische Gymnasium (im folgenden DFG) in Saar¬
brücken. Zwar kann es beachtliche Erfolge aufweisen, an ihm lassen sich
jedoch gerade deshalb die Schwierigkeiten der kulturellen Annäherung beson¬
ders gut verdeutlichen.5
Vorläufer des DFG war das kurz nach Kriegsende gegründete französische
Lycée „Maréchal Ney“. Zunächst befürchtete man auf deutscher Seite, wohl
nicht ganz zu Unrecht, eine „pénétration culturelle“ von Seiten Frankreichs. So
kam es nach der Angliederung des neuen Saarlandes zu erheblichen
Widerständen und Verzögerungen bei der Umwandlung in das „DFG“, das aber
schließlich so getauft, akzeptiert und integriert wurde. Hier funktionieren im
Grunde zwei Gymnasien unterschiedlicher Nationalität und Struktur unter deut¬
scher Gesamtleitung. Auf französischer Seite kann man seine Karriere schon im
jardin d'enfants beginnen, auf deutscher erst auf Gymnasialniveau. Von der er¬
sten Gymnasialklasse bzw. der sixième an haben die beiden Sprachen ein außer¬
gewöhnliches Gewicht im Stundenplan. Ab der Mittelstufe werden ausgewählte
Fächer wechselnd von französischen und deutschen Lehrern unterrichtet. Beim
Abitur bzw. baccalauréat, das in beiden Ländern voll anerkannt wird, sind die
Schüler praktisch zweisprachig. Ihre Wohnorte konzentrieren sich auf den
Großraum Saarbrücken und Umgebung, reichen aber auch weit nach Loth¬
ringen hinein.
Zweifellos wird am DFG Saarbrücken effiziente Basisarbeit für die deutsch¬
französische Verständigung und den kulturellen Austausch geleistet, doch lassen
sich die Probleme nicht übersehen: Unterricht von Lehrkräften aus beiden
Ländern bedeutet auch Parallelität zweier bekanntlich erheblich voneinander
abweichender Schulsysteme, aber auch Bildungsideale. Selbst innerhalb dieser
Schule läßt die Annäherung der Schüler zu wünschen übrig. So teilt sich der
gemeinsame Schulhof inoffiziell in ein deutsches und ein französisches
„Territorium“, doch gibt es auch eine binationale Zone für heimliche Raucher
und unübersichtliche Räume für erste grenzübergreifende Flirts...
Die unbefriedigenden Kontakte zwischen beiden Gruppen können hier nur
überblicksartig begründet werden. Zwar stammt eine beachtliche Zahl der
Schüler aus binationalen Familien, dennoch ist der Anteil der Deutschen im
französischen Zweig und umgekehrt jeweils sehr gering. Auf die Frage, warum
denn Eltern ihre Kinder auf eine deutsch-französische weiterführende Schule
schicken, erwies sich die zweisprachige Ausbildung als geradezu erdrückender
Attraktionsfaktor. Insbesondere von den französichen Eltern und Schülern wird
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Im folgenden stützen wir uns auf die von Anette Slotty 1995 angefertigte und von W.
Brücher betreute Diplomarbeit über das DFG sowie auf Informationen des Direktors des
DFG, Herrn Dr. Rolf Wittenbrock, dem an dieser Stelle gedankt sei.