gruppen erschwert. Nicht ganz unrichtig ist die Feststellung, daß Sprach-
zählungen keine Sprachgruppen erfassen, sondern erst erzeugen.
Zum Sprachunterricht in den Schulen schreibt Grigolli (S. 154): „In der
Provinz Bozen-Südtirol gibt es zum einen Schulen mit italienischer Unter¬
richtssprache, für die eine bestimmte (geringe) Anzahl von Unterrichtsstunden
in deutscher Sprache vorgeschrieben ist, und zum anderen Schulen mit
deutscher Unterrichtssprache, an denen Unterrichtsstunden in italienischer
Sprache (in ebenfalls geringer Menge) gehalten werden.“ Dies ist vielleicht
nicht ideal. Es sollte echte Zweisprachigkeit angestrebt werden. Dies geht am
besten mit dem sogenannten Immersionsunterricht — dem Eintauchen in die
Sprache und die Kultur des anderen, d.h. echte Interkulturalität, paritätische
Schulen. Was in den ladinischen Tälern mit Erfolg praktiziert wird, scheint mir
effizienter zu sein. Der Nachweis ist erbracht (Kramer S. 95), daß die ladini¬
schen Schüler auf diese Art in Italienisch sehr nahe an ein muttersprachliches
Niveau kommen und auch im Deütschen weitaus besser sind als z.B. Schüler in
Bozen aus rein italienischen Schulen, die Deutsch nur als Fachunterricht haben.
Ich komme zu den Schlußfolgerungen.
L Gelungene Pazifizierung in Bozen? Diese Frage stellt sich nicht mehr, wenn
auch mit Einschränkungen. Diese Befriedung soll freilich nicht mit deutscher
Gründlichkeit erfolgen. Es braucht Flexibilität, sowohl hinsichtlich der Drei-
sprachigkeit als Gerichts- und Amtssprache; eine Sprachenprüfung könnte auch
bei einem Sprachenproporz für bestimmte Berufsgruppen erlassen werden. Bei
der Feststellung, ob Ladiner oder nicht, sollte aktive Sprachbeherrschung
verlangt werden und nicht nur ein Kreuz des Familienvaters auf dem
Volkszählungsformular.
2. Bei Minderheitensprachen sollten sich alle Instanzen bemühen, Unterschiede
zwischen privilegierten und unterprivilegierten Sprachminderheiten abzubauen.
Man sollte nicht vergessen, daß eine ungleiche Behandlung z.B. der Ladiner, je
nachdem, ob sie zur Provinz Bozen, zur Provinz Trient oder Provinz Belluno
gehören, Zwietracht schafft und Neid, sogar zwischen Gadertalern und
Grödnem, bedingt durch den Verteilungskampf um Gelder oder durch berufli¬
che Perspektiven (Postenschacher). Quotenregelungen, ethnischer Opportunis¬
mus oder finanzielle Besserstellung der Provinz Bozen könnten das Gemein¬
schaftsgefühl der ladinischen Talschaften beeinträchtigen.
Dies ist sicher nicht beabsichtigt; aber Maßnahmen zur Stützung sprachlicher
und kultureller Minderheiten müssen vom Gleichheitsprinzip ausgehen. Nur
eine geeinte Kultur- und Sprachgemeinschaft ohne Rivalitäten ist auch bereit,
ihre traditionell gewachsene Sprache in ungebrochener Sprachloyalität zu ver¬
wenden und gegebenenfalls gegen äußere Widerstände erfolgreich zu verteidi¬
gen.
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