Präsenz oberitalienischer bzw. vielleicht ursprünglich oberitalienischer
Baufachleute in Riga.
Der Konflikt zwischen Stadt und Deutschem Orden wegen der Errichtung
eines Dammes, der die Stadt auf der Seite der Rige künftig vor Hochwassern
und Eisgang bewahren sollte, diente als letztes diskutiertes Beispiel. Es sollte
verdeutlichen, daß die Stadt im Grenzbereich offen war für gute Ratschläge.
Sie prüfte deren Qualität und beachtete sie, ohne danach zu fragen, ob es sich
schickte oder opportun war, fremder Leute Rat zu hören und zu befolgen. Dies
ist eine selten belegbare Haltung - auch sie zeigt, daß eine im allgemeinen
negativ konnotierte Charakterisierung einer im Grenzland befindlichen
Mischkultur so nicht gerechtfertigt ist. Die große Kaufmannsstadt im Baltikum
lebte in Grenzbereichen und auch in Grenzkulturen - sie war aber eine offene,
kluge und von herkömmlichen Vorurteilen vermutlich weniger belastete Stadt
als viele andere Städte im Reichsinnem.
Unsere knappe Skizze zeigt, daß wichtige kulturelle Einflüsse auf die
Kaufmannsstadt an der baltischen Ostsee nicht nur aus dem niederdeutschen
Raum kamen, sondern daß auch relevante Elemente oberitalienischer Streit¬
schlichtungskultur und moderner Stadtbaukunst hier übernommen wurden.
Angesichts der riesigen Entfernungen ist dies ganz erstaunlich, doch lassen sich
die Wege teils überzeugend nachweisen, teils vermutungsweise klären.
Insofern lehrt das Beispiel der Stadt Riga im 13. Jahrhundert, daß kulturelle
Beziehungen in Europa mitunter über viele Grenzen und sehr weite Entfer¬
nungen hinweg wirksam werden konnten, Angst vor unzulässigen Ver¬
mischungen hierbei jedoch nicht auszumachen ist.
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